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Irrsinnige Pläne gab es in den Kommandozentralen der Mächtigen schon immer, z.B. „Operation Unthinkable“ von Winston Churchill oder den „Plan Totality“ der USA unter Truman, der vorsah, die Sowjetunion mit 20 bis 30 Atombomben zu vernichten. Alle diese Pläne konnten nicht realisiert werden. Das hatte einen Grund: Die Zivilgesellschaft und auch maßgebliche Journalisten und Politiker verfügten noch über ausreichend Vernunft und Rückgrat. Es gab jedenfalls substanzielles Gegengewicht.

Diese Situation hat sich heute allerdings fundamental geändert: Das Gegengewicht ist in bedenklichem Maße entschwunden, zivilgesellschaftliches Engagement gibt es nur noch in Restbeständen. Und selbst wenn sich Einzelne wie z.B. der Biologielehrer Markus Fiedler diesen Luxus noch leisten, erhalten sie umgehend Besuch von der Inquisition (siehe Interview auf apolut). Auch das wäre noch nicht schlimm. Dass die Funktionäre eines im Sterben befindlichen Systems alle Register ziehen, um Kritik am eigentlich bereits Unhaltbaren zurückzuhalten, war zu erwarten. Schlimm ist allerdings, dass sich die Mitbürger überwiegend wegducken, wenn Einzelne, die für uns alle aufgestanden sind, abgeholt, verhört, mit hanebüchenen Anschuldigungen vor Gericht gezerrt oder auch nur virtuell rufgemordet werden. Wenn jemand angegriffen wird, kann er sich am Allerwenigsten selbst verteidigen. Außenstehende hätten hingegen die größten Möglichkeiten, hier solidarisch einzugreifen und der Willkür einen Riegel vorzuschieben.

Die Masse sucht indes Rausch und Illusion, ahmt den dekadenten Lebensstil der Reichen und Promis nach und will einfach nur abfeiern oder ihre Ruhe. Nachdenken über die Themen, die wirklich anstehen, wird als zu anstrengend erlebt. Sogar die Jugend, die eigentlich am meisten um ihre Zukunft betrogen und krank gemacht bzw. -gespritzt wird, hat sich überwiegend lieber mit ihren Tätern solidarisiert als mit denjenigen, die für sie kämpfen wollten. Letzteres wäre ja zu anstrengend gewesen. Dann doch lieber abtauchen in die nächsten Massenevents oder in die digitalen Ubahnschächte, Rezofritten futtern. An Entertainment mangelt es nicht. Und der einstellige Prozentsatz kritischer Jugendlicher wird durch politisch korrekte Windelweichformate wie Jung&naiv, Walulis oder Mr.WissentoGo in seichten Gewässern in Strandnähe gehalten, während auf hoher See gerade der Kampf um unser aller Zukunft stattfindet.

Und dennoch, das Ermutigende ist: Es kommt gar nicht so sehr auf die irren Politiker an, die bereit sind, willfährig jeden Wahnsinn mitzumachen. Diesen Wahnsinn könnten sie niemals durchbringen, wenn die Zivilgesellschaft einigermaßen bei Sinnen wäre. Sehr viel ausschlaggebender als all die Schölze, von der Leyens und Selenskis ist daher die Meinungsbildung und Aufklärung in der Gesellschaft, also jedes Einzelnen. Ob ein nuklearer Weltkrieg kommt oder nicht, wird davon abhängen, wie viele Menschen entgegen aller Heuchelei in sich die Freude am unbedingten Wahrheitswillen entzünden und wie viele Menschen den scheinbar bequemeren Weg gehen wollen und sich den monströsen Lügen des massenmedialen Molochs hingeben.

Da ich diesbezüglich von Gleichgewicht gesprochen habe: Dies darf man sich natürlich nicht zu banal wie bei einer physischen Waage vorstellen, wo es auf einer Waagschale das gleiche Gewicht benötigt wie auf der gegenüberliegenden, damit die Waage nicht kippt. Das wäre „evidenzbasiert“, also von den stieren Augen irregeleitet gedacht. Wenn man die Situation bloß physisch bzw. evidenzbasiert sieht, müsste man in der Tat entmutigt sein. Man darf es aber philosophisch, d.h. metaphysisch sehen: Und da hat Wahrheit ein ungleich höheres, potenziertes Gewicht als Lüge. Und während es aus „evidenzbasiert“-physischer Sicht auf Minderheiten und einzelne Individuen überhaupt nicht ankommt (und diese daher auch ohne Gewissensbisse weggebombt und weggespritzt werden dürfen), so kommt es aus philosophisch-metaphysischer Sicht geradewegs auf den Einzelnen an: Das Individuum, das sich seiner Freiheit bedient und Gedanken, Ideale und Unternehmungen entwickelt, die vollkommen unabhängig von dem sind, was uns pausenlos über die Medienkanäle suggeriert werden soll, sondern sich einzig am Menschenwürdigen und Zukunftsfähigen orientieren. Und wie man schon bald sehen wird: Menschenwürdig und zukunftsfähig ist nur das, was die – zugegeben zunächst bittere – Wahrheit zur Grundlage wählt. Wer die Lüge wählt, wird hingegen keine Grundlage haben, auf der er stehen kann. Die süße Illusion wird sich als erbarmungsloser Treibsand erweisen, der ihn nach unten zieht.

Dass die Wahrheit bitter ist, während Lüge und Illusion zunächst süß sind, bedeutet nichts anderes als: Für den, der die Wahrheit wählt, ist Schmerz unvermeidbar. Wie auch der heute – nicht ganz zu Unrecht – meistgelesene Deutsch schreibende, obwohl koreanische Philosoph Byung-Chul Han sagt:

„Der Schmerz verwandelt den Geist. Verwandlungen sind mit Schmerz verbunden. Ohne Schmerz ist jene Erkenntnis nicht möglich, die mit dem Gewesenen radikal bricht. (…) Der Schmerz erschüttert gewohnte Sinnbezüge und zwingt den Geist zu einem Perspektivenwechsel, der alles in einem neuen Licht erscheinen lässt. Im Gegensatz zur Lust setzt der Schmerz Reflexionsprozesse in Gang. Er verschafft dem Geist eine >>dialektische Klarheit par excellence<<. Er macht den Geist sehender.“ (aus dem Buch „Pallativgesellschaft“ von B.-C. Han)

Also: Kein Grund, am Schmerz, den uns unsere Zeit so überreich beschert, zu verzweifeln! Er ist auch eine große Chance, sich von demjenigen, das uns unweigerlich zum Vermorschen führen würde, loszusagen und ganz neue Wege zu beschreiten. Wer dieses Geheimnis kennt, wird am Schmerz nicht bitter, sondern reif.

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Vielen Dank lieber Milosz Matuschek, auch für den wohl berührendsten Nachruf auf Gunnar Kaiser.

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Lieber Milosz, danke für die Ermutigung!

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Was für ein wunderbarer Artikel! Danke! 🙏🏻

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founding

Als 11-Jähriger durfte ich mal auf einem wunderschönen Karussell die Eintrittsbons der Kinder einsammeln. Das hat viel Spaß gemacht und am schönsten war das Auf- und Abspringen.

Genauso viel Spaß wird es mir bereiten, so lange ich lebe ein Stachel im Fleisch der Kriegs-, Menschenrechts-, und Gesundheitsverbrecher zu sein, dabei immer mal wieder auf und ab zu springen, je nach zur Verfügung stehender Energie.

Dazu gehört auch das Lesen solch genialer Artikel.

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wie immer top 👍

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Gottseidank gibt es noch Medien und Autoren wie hier. Denn der kommunikative Raum, der für die Masse bestimmt ist, wird geflutet mit inhaltsleerem Geblubber in Form hohler Phrasen, abgestandener Plattitüden und unverschämtester Lügen, dargereicht von einer Bande geltungssüchtiger Kompetenzdarsteller.

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founding
Nov 5, 2023·edited Nov 5, 2023

Das Gute ist, man gewöhnt sich an den Krisenmodus, lernt damit umgehen, wächst daran, lernt zu Fokussieren, zu Differenzieren und stumpft gegenüber jeglichem herbei konstruiertem Alarmismus ab. Denken wir an das Kind, welches beim Baden zum Spasse x-mal schreit "Hilfe, ich ertrinke!" und man rennt hin. Tja, es kommt der Moment wo es wirklich Hilfe braucht und keiner schaut mehr hin, man lässt es ertrinken, dann sauf halt ab du Flegel. So geschehen mit dem WEF; sorry, aber eine ganze westliche "Polit- und Wirtchafts-Elite" hat sich für immer lächerlich gemacht. Ein gierig dummer Kindergarten dem man ganz offensichtlich jeglichen Mist erzählen kann. "Young Global Leaders"; mittlerweile ein Prädikat für Egoismus, Kritiklosigkeit, Käuflichkeit und Narzissmus. Summary: mit jedem neuen Krisen-Pizzastück wächst die Resilienz der Allgemeinheit und die Strukturen hinter dem Alarm-Megaphon geben sich der absoluten Lächerlichkeit preis. Das System Ikarus funktioniert.

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