Wann schaffen wir endlich Kirchen ab?
Die Missbrauchsskandale in der katholischen Kirche legen mafiöse Vertuschungsstrukturen offen. Der Mensch braucht für Spiritualität keine Institution.
Der Mensch ist eine Maschine mit veraltetem Softwareprogramm: Uns stecken Millionen Jahre Evolutionsbiologie, Traditionen und Religionen in den Knochen. Das Programm der Aufklärung ist nie komplett hochgefahren worden, sondern wurde immer wieder unterbrochen und musste neu gestartet werden.
Schluss mit den Parallelstrukturen
Das Drama des Menschen lässt sich in drei Sätzen beschreiben: Gott ist tot (Nietzsche). Folglich muss sich der Mensch selbst erschaffen (C. G. Jung). Genau dies schafft er aber nicht (Harari). Stattdessen stützt er sich bis heute auf die Krücken, die ihm die Religionen (und mehr noch ihre Institutionen) hinhalten. Das lässt für eine Zukunft, die massgeblich von künstlicher Intelligenz oder «brain hacking» geprägt sein wird, nichts Gutes erwarten. Wie lange will sich die Menschheit den Luxus des Obskurantismus leisten?
Stellt man die monotheistischen Religionen einmal nüchtern auf den Prüfstand, ist ihre Bilanz ziemlich verheerend: Sie propagieren Frieden, aber sind oft Brutstätten von Konflikten, sie stehen vielfach für Unterdrückung, Ressentiment, Moralismus, die Verachtung der Sexualität und eine Verstümmelung des Denkens. Oder anders gesagt: Sie haben den Menschen in seiner Entwicklung oft zurückgehalten, wenig von Relevanz für den Fortschritt getan und bereiten uns schlecht auf die Zukunft vor. Trotzdem verlangen sie permanent «Respekt vor dem religiösen Gefühl». Wie wäre es dagegen einmal mit «Respekt vor säkularen Errungenschaften»?
Weder Gleichberechtigung noch allgemeine Schulbildung, weder Menschenwürde (der alte Plotin lässt grüssen) noch die Grundrechte sind auf dem Boden der Religion gewachsen. Das Muster der archaischen Herden-Doktrin hingegen, die aus dem Baukasten hierarchischer Religionen stammt (und heute im digitalen Tribalismus neue Blüten treibt), wird immer noch genutzt, um Menschen aus banalen Gründen gegen andere aufzubringen. Säkularismus scheint der Rechtfertigung zu bedürfen, ein jahrtausendealter Hokuspokus nicht. Die Mehrheitsgesellschaft schlägt noch vor so manchen orthodox-fundamentalistischen Gebräuchen ehrfurchtsvoll die Hacken zusammen.
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