Liebe Nele: Wieso kommst du nicht zum Verfassungsschutz des Volkes?
Der deutsche Verfassungsschutz ist auf der Welt einzigartig: Er bespitzelt selbst unbescholtene Bürger. Gleichzeitig wirbt er auch junge Menschen als Agenten an. Ein Abwerbeversuch.
„Werde Verfassungsschützer*in“. Die „Sichtagitation“, wie man Propagandaeigenwerbung im DDR-Jargon nannte, welche der deutsche Inlandsgeheimdienst seit geraumer Zeit auffährt, ist augenfällig. An Plakatwänden und in Inseraten wirbt der deutsche Verfassungsschutz vor allem um junge Leute als Agenten. Auf einem Plakat schaut ein junges Mädchen vor einer futuristischen Glitzerkulisse etwas schüchtern in die Kamera: Nele (19). Ist es so dringend? Steht Deutschland kurz vor einem Kollaps von innen? Nun ja, vielleicht schon, aber etwas anders, als der Rollator-Umsturzversuch, den angebliche Reichsbürger rund um einen deutschen Prinzen angeblich planten und vor dem uns der Verfassungsschutz bewahrt hat, nachdem er half, einen „Reichtstagssturm“ zu inszenieren. Aber dazu gleich.
Liebe Nele: Willst du wirklich Verfassungsschützerin werden? Überlege es dir gut. Trollprofile auf Twitter anzulegen, um gegen Kritiker der Regierung Stimmung zu machen: Es gibt doch lukrativere Arten, im Internet reich zu werden, besonders als gut aussehende, junge Frau. Aber zurück zum Thema. Eigentlich soll der Verfassungsschutz, wie der Name schon sagt, den Bestand der freiheitlich-demokratischen Grundordnung gegen Gefahren von innen schützen: extremistische gewaltsame Umsturzversuche, Kalifatsfantasien, Terrorismus. Dazu hat er Informationen zu sammeln und an die Polizei zu übergeben. Die Trennung von Geheimdienst und Polizeibefugnis erklärt sich aus der Distanzierung von der Gestapo während der Herrschaft der Nationalsozialisten. Noch bist du im Team „Gut“ und deine Eltern wären stolz auf dich. Gleich (vielleicht) nicht mehr.
Wofür dich allerdings deine Kinder mal hassen könnten: Der deutsche Verfassungsschutz ist weltweit einzigartig. Er kann auch gegen gänzlich unbescholtene Bürger spionieren und operativ vorgehen. Gegen Menschen also, die nie etwas Strafbares getan haben. Die vielleicht eine Bürgerinitiative gegen Atomkraft gegründet haben oder einen Verein zur Aufarbeitung des Corona-Unrechts. Gegen Anwälte, gegen kritische Ärzte und gegen Journalisten. Die Trennung von Geheimdienst und Polizei in allen Ehren, aber: Für den Publizisten und Arzt Paul Brandenburg (gegen den auch geheimdienstlich ermittelt wurde) war das relativ unerheblich, als morgens um halb sechs ein Polizeikommando seine Berliner Wohnung stürmte, ihn nackt aus dem Bett holte und seine Familie erschreckte. Ihr macht die Vorarbeit, den Rest die Kollegen von der Polizei. Für den Bürger seid ihr ein „Team Staatsmacht“. Paul Brandenburg wohnt jetzt in der Schweiz.
Nele, du würdest beim Ausschaffungsamt für kritische Publizisten arbeiten. Willst du das?
Du würdest bei einer politisch gesteuerten Ausmisttruppe mit übertriebenem Hygieneeifer arbeiten. Die oberste Verfassungsschützerin, deine Chefin, schrieb schon für Antifa-Hefte. Dein aktueller Behördenleiter Thomas Haldenwang lobt die extremistische Klimabewegung, also deine Altersgenossen, die den gesellschaftlichen Zusammenhalt dadurch gefährden, dass sie leistungsbereite Menschen morgens nicht zur Arbeit fahren lassen. Bürgerinitiativen im Keim ersticken? Politische Bewegungen zersetzen, die der Reputation der Regierung schaden, aber nicht unbedingt der Demokratie? Gegen kritische Kanäle vorgehen, Widerstandsgruppen unterwandern, die Realität ein stückweit gefährlicher aussehen lassen, als sie ist, also Bühnenbildnerin für die Kabinettstückchen der Regierung spielen? So bisschen Feuerpolizei, die mit einem Branddeckchen noch auf jedes Diskursflämmchen losgeht, auf dass am Ende jeder Stammtisch verdächtig ist. Willst du das? Und vergessen wir nicht: Es ging schon so oft gründlich schief. Erinnerst du dich noch an das Desaster des NPD-Verbots? Die NPD war mit so vielen V-Leuten deiner Behörde besetzt, dass das Bundesverfassungsgericht die Verbotsklage abwies. Es liess sich nicht unterscheiden zwischen der Gefährlichkeit einer Partei und einer durch V-Leute (mit)verursachten Gefährlichkeit. Ihr wart einfach zu gut. Immerhin, da seid ihr deutsch: Gründlichkeit könnt ihr. Und für NPD-Leute glaubwürdig Nazis spielen.
All das und noch vieles mehr, liebe Nele, kannst du auch in einem Buch nachlesen, geschrieben vom Juristen und Journalisten Ronen Steinke („Verfassungsschutz: Wie der Geheimdienst Politik macht“), er schreibt für die Süddeutsche Zeitung, das wiederum könnte deinen Eltern gefallen, der ist also von der guten Seite und lässt trotzdem kein gutes Haar an deiner Behörde. Ihr wuchert wie ein Krebsgeschwür: In zwanzig Jahren habt ihr eure Belegschaft verdoppelt, euer Budget verdreifacht. Euer Budget beträgt eine halbe Milliarde Euro pro Jahr, und wird laufend mehr. Ihr seid jetzt so teuer wie der Auslandsgeheimdienst BND. Wollt ihr uns wirklich weismachen, dass von innen so viel Gefahr droht, wie von außen? Oder ist einfach nur nächstes Jahr Wahl und die Regierung muss ein paar politische Gegner loswerden? Ihr etikettiert noch jeden als gesichert rechtsextrem, davon bin ich überzeugt. Wohin ihr sonst wuchert, kann niemand genau wissen, aber dass ihr euren Arbeitsauftrag eher weit auslegt, ist längst bekannt. Wie weit seid ihr im Journalismus schon gekommen? Auch das ein Fall, der dich abschrecken müsste, Nele. In den USA hatte der Geheimdienst CIA in den 70er-Jahren den Journalismus unterwandert, 3000 Agenten bearbeiteten die Presse, zahlreiche Chefs von Sendeanstalten oder Chefredakteure waren quasi inoffizielle Mitarbeiter. Schließlich war man wieder mal im Krieg, da durfte man es mit der gelebten Meinungsfreiheit nicht so genau nehmen.
Nein liebe Nele, du willst eigentlich gar nicht zur Gestapi. Doch du willst etwas für die Demokratie tun, richtig? Dann werde investigative Journalistin. Grabe zu den trüben Gewässern, welche die Fundamente des Gemeinwesens tatsächlich umspülen, sie untergraben und morsch machen. Stelle Transparenz für die Gefahren der Demokratie her, wechsle zum Nachrichtendienst des Volkes! Anstatt bei der Exekutive angestellt zu sein, gehst du zur Vierten Gewalt, die eine gesellschaftliche ist und wo du dich jedem Thema widmen kannst, von welchem du glaubst, dass es für andere relevant ist. Und wenn du dann mal einen Blick auf die Regierung wirfst, auf Verstrickungen mit WEF, CumEx, Maskendeals und Impfkampagnen, auf das Hofieren von Philanthropen und Kriegstreibern bei gleichzeitiger ideologischer Günstlingswirtschaft, dann fällt dir vielleicht auf, dass du dann wirklich genau den Job machst, den du eigentlich wolltest. Denn dann siehst du, wer tatsächlich die Verfassung mit Füssen tritt und die Demokratie aushöhlt, wo es nur geht. Und wer den demokratischen Streit untergräbt, der das Lebenselement der Demokratie ist.
Die dunkle oder helle Seite der Macht, Nele? Es ist deine Wahl.
Dieser Beitrag erschien auch in der Weltwoche.
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Ich wünsche hoffe, dass die, welche diesen bewusstseinsöffnenden Text lesen müssten, nicht schon zu gebrainwashed sind, dass sie das nicht mehr lesen, aufnehmen, hören können… Danke Milosz!