Meme-Künstler aller Länder, vereinigt euch!
Lachen ist nicht nur die beste Medizin, sondern auch das effektivste Werkzeug, um Macht in Ohnmacht zu verwandeln. Und Ohnmacht in Macht.
Es war der berühmte Tropfen zu viel, der das Fass zum Überlaufen brachte. Die öffentlich-rechtliche ARD interviewte für einen Beitrag über Lebensmittelpreise bei Penny eine angeblich zufällig ausgewählte Kundin, die sich jedoch als WDR- Journalistenschülerin herausstellte. Übersetzt heißt das nichts anderes als: „Mit eurem Zwangsgeld, liebe Zuschauer, verbreiten wir unsere Meinung und tun so als sei es eure.“ Dieser Medienskandal ist mehr als nur ein weiterer Sargnagel in die Truhe des längst dahinsiechenden Vertrauens in die öffentlich-rechtlichen Medien und den Medienmainstream allgemein. Es fühlt sich an, als würde gerade ein Weltbild zerbrechen. Angehäuft hat sich vieles: Die Verschwendungsorgie des RBB, eine Bürgersprechstunde mit Kanzler Scholz im Fernsehen mit Parteifreunden in der Rolle des fragenden Bürgers, Managergehälter für Baerbocks Visagistin und Habecks Fotograf, ob Relotius beim Spiegel oder falsche Juden bei Zeit Online: Überall wird gemauschelt, gefälscht, getüncht und übermalt, bis die Realität so verstellt ist, dass sie wie eine lächerlich verzerrte Fratze wirkt, der man nur noch ins schiefe Gesicht lachen kann.
Interessant ist, wie der WDR-Skandal in die Welt kam und was aus ihm wurde. Aufgedeckt hatte das Ganze der Blogger und Memekünstler „Argonerd“ auf Twitter, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, der Verdrehung der Realität durch entlarvende Bild-Collagen etwas entgegenzusetzen. Im Grunde sind seine Tweets oft nicht mehr als Screenshots von Nachrichten oder Texten, die einander widersprechen, nicht selten aus dem gleichen Medium. Argonerd zeichnet auf diese Weise den Gleichlaut der Narrative nach, entlarvt Doppelmoral und Heuchelei, und das auf eine geschickt-gewitzte Art. Die Aufdeckung des WDR-Skandals wurde zum PR-Super-GAU für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk: Schon wieder wurde man beim Fälschen erwischt und musste wortreich zurückrudern. Die Folge dieses Skandals: Auf Twitter folgte eine Welle von Memes mit dem Hashtag #ARDfragt, welche mit unterschiedlichen Motiven die Absurdität der Selbstbezüglichkeit der Medien auf den Punkt bringen. Beispiel: Ein Bild mit Biontech-Gründer Ugur Sahin und der Frage, was dieser „zufällig ausgewählte Passant“ wohl zum Thema Impfstoffsicherheit zu sagen hat. Man hätte natürlich auch wieder mal laut „Skandal!!“ rufen können. Doch die Welle der Memes war die lustigere und zugleich grausamere Reaktion: Es ist alles so absurd, da kann man nur lachen.
Memes sind mehr als lustige Bildchen im Internet, die jeder schon mal gesehen hat. Die Motive sind bekannt: Sponge Bob, das Knopfdrücker-Meme, die neidische Freundin, der gequälte Lacher Harold, der erschöpft rauchende Ben Affleck, der verschmitzt zuprostende Leonardo die Caprio, mal als Gatsby, mal als Plantagenbesitzer aus „Django Unchained“, die Beispiele sind endlos. Was sie eint ist Wiedererkennung. Was sie stark macht ist Identitätsvermittlung. Es klingt paradox, dass gerade in einer so komplexen und zersplitterten Welt, die unendlich viele Realitätskanäle eröffnet, gerade der Gedankensplitter des Memes, ein kulturelles Artefakt, so etwas wie Identifikation hervorbringt. Das Meme schafft das, weil es einen Gedanken in kürzester Form ausdrücken kann: komprimiert, kondensiert, treffend und auf den Punkt. Das Meme ist eine Art Bild-Text-Aphorismus, eine eigene kleine Kunstform des Internets. Durch die Meme-Mutation kann ein Thema zudem aus mehreren Gesichtspunkten beleuchtet werden und damit verschiedene Wahrheitsaspekte zutage fördern. Ein Meme kann so theoretisch ewig weiterleben.
Die Counterculture des Internets, sie findet sich nicht selten auf Meme-Seiten. Die Facebook-Seite „Truth Theory“ hat 1,9 Mio. Follower und postet lustige Memes über die Einstellung zur Wissenschaft, den Wahrheitsfindungsprozess, die Unterscheidungskraft zwischen Wahrheit und Lüge. Es sind komplexe Themen, die jedoch als Meme funktionieren und so weitaus mehr Menschen erreichen, als jede Sonntagsrede auf die Notwendigkeit der unparteiischen Wissenschaft oder den Wert der Meinungsfreiheit. Ein Beispiel: „Die Wissenschaft hat herausgefunden…dass Menschen alles glauben, sobald man sagt, dass die Wissenschaft etwas herausgefunden hat“. Dazu ein verschmitzt grinsender DiCaprio im Weißkittel. Besser lässt sich die gegenwärtige Einstellung zur Wissenschaft kaum beschreiben.
Die Wissenschaftsgläubigkeit des Westens während der Pandemiezeit war letztlich nichts anderes als ein autoritätshöriger Weißkittelkult, der viel mit politischer PR und so ziemlich gar nichts mit wissenschaftlichem Diskurs zu tun hatte. Nur: In den allermeisten Zeitungen steht das bis heute nicht. Vielmehr durfte man lesen, dass man der Wissenschaft zu folgen hat und dass Kritik an offiziellen Experten eine neue Form der Häresie darstellt, welche die Zerstörung der gesellschaftlichen Existenz zur Folge haben kann. Do your own research? Bitte nicht! In einem solchen Umfeld werden Memes zu einem Realitätsanker. Sie halten einen Wert und eine Haltung aufrecht, welche der Medienmainstream bereitwillig opfert. Auch das gehört zu der verrückten Welt der „Neuen Normalität“ und sagt gleichzeitig alles über diese aus: Memes können ein besserer Orientierungsgeber sein als Mainstream-Medien.
Die Macht der Memes ist real. Memes sind dezentral aufgeladene Informations-Geschosse, welche in der Lage sind, die Informationsmatrix, in der wir uns befinden, durch Humor zu unterminieren und ganze Narrative zu zerschießen. Sie sind die „weapons of mass distraction“ der ohnmächtigen Vielen gegen die Meinungsmühle des Mainstreams. Damit werden Memes immer mehr zur Gefahr für den Mainstream und Meme-Kanäle zu einem Politikum. Elon Musk verkündete vor kurzem, dass Twitter sämtliche Verfahrenskosten für Nutzer begleichen will („No Limit“), die durch das Posten oder Liken von Inhalten auf Twitter ungerecht behandelt worden sind. Das ist eine Kampfansage an die Cancel-Culture, die auch vor Meme-Künstlern und kritischen Künstler allgemein nicht halt macht. Auch Memes werden immer häufiger mit einem „Faktencheck“ belegt oder unsichtbar gemacht. Faktencheck für Kunst? Es geht immer noch absurder, sicher.
Mächtige haben sich schon immer vor Humor gefürchtet. Denn gegen das Lachen ist kein Kraut gewachsen. Gelächter kann in der Politik tödlicher sein als jede scharfe Kritik. Kein Totalitarismus ohne Flüsterwitze. Eigentlich braucht es gerade keine Persiflage mehr, die Realität ist selbst zu einer permanenten Parodie ihrer selbst geworden: Schutz-Impfungen, die tatsächlich schädlich waren, ein Hitzesommer mit Schnee in den Bergen, dazu immer wieder Habecks kompetenzfreie Ruderei, Bidens senile Wortschöpfungen, Baerbocks Verrenkungen. Wer oder was ist heute noch kein Meme? Gerade beisst sich die Propaganda-Katze selbst in den zu lang gewordenen Lügenschwanz. Alles wird zum Bumerang. Die Masse der Ohnmächtigen schlägt zurück. Die Gesellschaft hat ihren Reflektorschild aktiviert. Nichts kommt mehr durch, ohne in einem tosenden Gelächter zu enden. Niemand glaubt den offiziellen Stellen mehr irgendwas.
Das ist das Ende einer jeden Politik von oben, nämlich der Punkt an dem sie als irrelevant eingestuft wird, als Clown-Show. Und zugleich der Beginn der Politik von unten.
Meme-Künstler aller Länder, vereinigt euch!
Dieser Beitrag erschien zuerst in der Weltwoche.
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