Bitcoin: die Kraft unzensierbarer Sprache
Geld ist letztlich Sprache, eine Kommunikation über Werte. Unzensierbare Alternativen wie Bitcoin werden gerade immer wichtiger. Eine Kolumne.
Sie lesen hier regelmäßig Texte und Updates zum “Appell für freie Debattenräume”. Auch meine NZZ-Kolumnen sowie sonstige journalistische Texte erscheinen hier auf “Freischwebende Intelligenz”. Den folgenden Beitrag lesen Sie kostenlos, können mich aber mit einem Abonnement oder Spenden unterstützen. Einige von Ihnen sind schon dabei, vielen Dank! Updates zum “Appell für freie Debattenräume” werden immer kostenlos sein.
Kennen Sie noch den Bitcoin? Dieses merkwürdige Nerd-Geld libertärer Cypherpunks im Internet, das mal als Spekulationsobjekt durch die Medien geisterte, bis die angebliche „Blase“ platzte? Jamie Dimon, Chef der Bank JP Morgan nannte es einen „Betrug“; der britische Historiker und Experte für Finanzgeschichte Niall Ferguson sprach von einer „Illusion“, Warren Buffett sogar von „Rattengift im Quadrat“. Nun, Bitcoin ist immer noch da, und man wird ihn wohl noch früher brauchen, als vielen lieb ist. Im März 2020 fiel die virtuelle Währung durch den Corona-Schock kurzzeitig auf unter 5000 Dollar. Derzeit steht sie so hoch wie seit 2018 nicht mehr: bei über 15 000 Dollar.
Das liegt nicht unbedingt an der Lust an Spekulation, die sich gerade ohnehin in Grenzen hält, sondern eher an Vertrauensfragen. Bitcoin ist eine ständige Abstimmung über das Vertrauen in das gegenwärtige Geldsystem, eine Art Richterskala. Doch woher soll das Vertrauen in die Entscheidungskommittees der Zentralbanken heute kommen? Die Schulden sind auf Höchstständen, die Bankbilanzen aufgebläht wie noch nie, und das Pulver der Niedrigzinsen ist weitgehend verschossen. Seit geraumer Zeit kursiert beim IWF die Idee weiterer Negativzinsen, also im Grunde einer Steuer auf Geld, erhoben von Banken, welche eben dieses Geld aus dem Nichts schöpfen können, während es sich der Bürger hart verdienen muss. Die Europäische Zentralbank hat Ihre Überlegungen zu einem digitalen Euro zuletzt ebenfalls verstärkt. Dabei handelt es sich um digitales Zentralbankgeld, dessen Kontrolle allein bei der Ausgabestelle der EZB liegt. Sollte dieser das Bargeld verdrängen, wären Zahlungsströme in Zukunft voll kontrolliert.
Ein unzensierbares Schließfach in der Hosentasche
Bitcoin dagegen ist eine von unten nach oben gewachsene Vermögensklasse außerhalb des Bankensystems, ohne zentrale Kontrollinstanz und verfügt über eine mathematisch festgesetzte Höchstmenge. Erstmals in der Geschichte liegt eine Art Münzprivileg in den Händen aller Weltbürger, also von niemandem. Bitcoin ist zwar nicht gänzlich anonymisiert, die Zahlungsvorgänge sind also nachvollziehbar. Stoppen kann sie jedoch niemand. Im Gegensatz zu digitalem Geld liegt die Kontrolle über Bitcoin allein beim Eigentümer selbst, also dem, der über den privaten Schlüssel dazu verfügt. Bitcoin ist wie ein Schließfach für die Aufbewahrung von Werten; bei einem Bankkonto hat man dagegen nur einen Auszahlungsanspruch gegen die Bank in den Händen.
Bitcoin als Phänomen wird am ehesten verständlich, wenn man es durch die Brille der Netzwerk-Theorie betrachtet, vergleichbar mit Pilzkulturen, dem Gehirn oder Sprache, als Struktur mit Knotenpunkten und Verbindungen, die Botschaften transportieren. Bitcoin ist eine Netzwerkinnovation, wie früher der Buchdruck oder später Blogs. Geld ist nichts weiter als Kommunikation über Werte und Bitcoin war mit Gründung im Jahre 2009 das erste globale, gemeinsame Verständigungsmedium über einen originär virtuellen Wert. Allein dies Kreuzung aus Esperanto und Numismatik ist bereits eine Sensation. Dass sich der Staat nicht in die Sprache einmischen soll, galt als Grundsatz schon im alten Rom („Caesar non est supra grammaticos“). Was bis heute für Debatten um Gendersternchen gilt, gilt erst Recht für die Frage, wann etwas Geld ist und wann nicht. Diese Frage stellt sich für Bitcoin durch dessen enormen Wertzuwachs eigentlich schon nicht mehr. Netzwerke werden nun mal wertvoller durch mehr Teilnehmer, besagt Metcalfes Law. Gleiches galt schon für Mobilfunk sowie Facebook & Co. Die Anzahl der Transaktionen bei Bitcoin ist seit Jahren unabhängig vom Preis stetig steigend.
Bitcoin wird bleiben, so der „Lindy-Effekt.“ Dieser besagt, dass die Lebensdauer von Ideen oder Technologie sich proportional zur Existenzdauer verhält. Was fast zwölf Jahre überlebt hat, wie der Bitcoin, wird wohl auch die nächsten zwölf Jahre bleiben. Zudem streben Kommunikations-Netzwerke nach einem einheitlichen Standard, wie das Internetprotokoll TCP/IP, USB-Schnittstellen oder MP3 zeigen (sogenannte Schelling-Punkte). Im Bereich des Geldes ist dies die Reservewährung, lange der Pfund-Sterling, heute der Dollar, warum also morgen nicht Bitcoin? Auch Geld entwickelt sich, wie Sprache, weiter: von einer Ware, zu einem politischen Symbol bis hin zu jetzt: Mathematik. Bitcoin beruht auf Vertrauen in Technologie, nicht in die Entscheidungskompetenz planwirtschaftlicher Kommittees. Also, warum sollte man sich auf Vinyl verpflichten lassen, wenn daneben MP3 existiert?
Konservierung von Kaufkraft
Jamie Dimon von JP Morgan hat inzwischen seine eigene virtuelle Währung geschaffen. Niall Ferguson verkündete später, er habe sich in Bezug auf Bitcoin getäuscht. Man solle in Sachen Technologie doch eher auf die Jüngeren hören. Inzwischen haben sich neben Peter Thiel und Steve Wozniak auch Elon Musk und der Twitter-CEO Jack Dorsey als Bitcoin-Fans geoutet. Letzterer kauft nach eigenen Aussagen jede Woche Bitcoin im Wert von 10 000 Dollar. Nur Warren Buffett, der ist immer noch in Ketchup investiert. Ob Bitcoin auch in Zeiten von Corona als sicherer Hafen taugt, muss sich noch erweisen, vorallem auf kurzfristige Sicht. Die Verwerfungen im Geldsystem werden durch Corona vermutlich nicht so schnell aufhören. Doch auch wenn der Preis von Bitcoin mitunter stark schwankt, ist es die erfolgreichste Vermögensklasse der letzten 10 Jahre und war zuletzt das beste Mittel zur Konservierung von Kaufkraft.
Dieser Text ist die aktualisierte Version einer Kolumne, die ich im März 2019 in der NZZ veröffentlichte. Damals lag der Bitcoin bei unter 4000 Dollar. In Zeiten zunehmender Einschränkung bis hin zur Diskussion der Abschaffung von Bargeld wird die Beschäftigung mit Alternativen immer dringlicher. Einfache Wege für Anfänger an Bitcoin zu kommen bietet z.B. die Schweizer App www.Relai.ch; andere Anbieter wie Cryptopay (affiliate link) sind ebenfalls leicht zu bedienen und bieten neben der Verwahrung auch Pre-Paid-Karten für Kryptowährungen an. Mehr zu Bitcoin und Sprache lesen Sie unter folgendem Link von Andreas M. Antonopoulos, der Artikel ist ab jetzt für 24h frei abrufbar: https://schweizermonat.ch/das-internet-des-geldes-wird-realitaet/?fwh=d2b873ae35e9fb600a76d1f9d760b650
Wie denken Sie darüber?
Sie erreichen mich unter kontakt@idw-europe.org, oder wenn Sie auf diese Mail antworten. Oder hinterlassen Sie einen Kommentar. Sie können meine Arbeit mit einer Spende oder einem Abonnement unterstützen.
Paypal, @freieIntelligenz; miloszmatuschek@substack.com
Bitcoin: 1DiGG4P2LEcmLP6i8B9rbe3CCMYcKrfbfc
Weitere Möglichkeiten auf Nachfrage.
Abo (Subscribe now)
Ich würde mich nicht zu stark auf Bitcoin versteifen.
Natürlich hat die Person, die sich hinter dem Pseudonym Satoshi Nakamoto verbirgt, einen eindrücklichen Wurf gelandet. Sie hat ihre Ideen in einem inzwischen legendären Paper beschrieben, aber es nicht dabei bewenden lassen. Sie hat funktionierende Software geschrieben, mit der Interessierte in kurzer Zeit ein weltumspannendes Netz aufgebaut haben, um Transaktionen in Bitcoin abzuwickeln. Welcher Politiker würde sich heute mit der Förderung der «Blockchain» profilieren wollen, wenn Nakamoto in seinem/ihrem Paper nicht zwei zwei simple Grafiken eingebaut hätte, in denen eine Reihe von «Blocks» (Nakamotos Terminologie) verkettet sind, jeweils der Nachfolger mit einem Kettenglied verknüpft mit dem Vorgänger? Nakamoto hat sich vermutlich nicht träumen lassen, dass er mit seiner Wortwahl und seiner grafischen Darstellung einen Begriff in die Welt setzt, der zehn Jahre praktisch zum Symbol für Fortschritt, für Zukunft, für Innovation und für progressive Einstellung wird, so dass Politiker und Manager unbesehen «Blockchain»-Visionen und -Strategien formulieren?
Heute, zehn Jahre später, ist die Welt nicht stehengeblieben. Die Ideen Nakamotos sind auf einen fruchtbaren Nährboden gefallen. Inzwischen wurden Dutzende, vermutlich Hunderte, von alternativen Ansätzen beschrieben und in Software gegossen. Sie werden in weltumspannenden Netzwerken betrieben und bieten neben der Ikone Bitcoin einen bunten Strauss von alternativen digitalen Währungen an. Man schaue sich nur die Liste der Kryptowährungen auf Wikipedia an.
Libra, die digitale Währung von Facebook, bricht konzeptionell mit vielem, was Nakamoto noch für Bitcoin entworfen hat. Nicht zum ersten Mal. So ist der technische Fortschritt. Bereits die digitale Währung Ether, basierend auf den Konzepten des Ethereum-Netzwerks, geht über die ursprünglichen Konzepte im Bitcoin-Ansatz hinaus.
Das schmälert den Beitrag von Nakamoto und den Bitcoin-Mitstreitern der ersten Stunde nicht im Geringsten: Wer heute digitale Währungen entwirft, steht wie immer auf den Schultern von Giganten.
Bitcoin ist heute aber nicht mehr das Mass der Dinge.
Ich bin bezüglich des Bitcoins zeimlich gespalten. Einerseits finde ich gut, dass es eine Alternative zu dem Bankengeld gibt, andrerseits sehe ich da zumindest vorerst 2 große Haken: 1. der enorme Energieaufwand, den das System (noch) erfordert. Das wird sich möglicherweise minimieren lassen. aber 2. die Abhängigkeit von strombenötigender Elektronik, wird sich nicht abstellen lassen. Dafür müssten Bitcoins auch einen materiellen Zweig bekommen.
Es könnte bei längerem Ausfall der Versorgung mit Elektrizität sonst ganz schön Probleme geben. Auch wenn das Internet ausfällt, zerstört wird oder zusammenbricht, dürfte es mit virtueller Währung schwierig werden.