Der Ruf nach Gemeinschaft ist das Echo der Selbstwirksamkeit
Welchen Weg der Erneuerung wollen wir gehen?
„Ein neues Zeitalter bereitet sich vor, die Welt liegt in den Wehen, alle Geister sind aufmerksam.”
- Pierre Simon Ballanche, Essais de palingénèse sociale, 1827
„Der menschliche Geist schreitet immer voran (...) denn er ist mit einer ungeheuren Macht ausgestattet, der Macht der Kontinuität des Handelns; aber sein Fortschreiten ist progressiv (…) denn nichts taucht plötzlich in der Welt auf. Wie das Kind in der Gegenwart seiner Eltern geboren wird, wächst und aufsteigt, so werden auch die neuen Ideen, die in die Gesellschaft eindringen, in der Gegenwart der alten Ideen, die sie hervorgebracht haben, geboren, wachsen und aufsteigen.“
- Pierre-Simon Ballanche, Essai sur les institutions sociales, 1818
Seit geraumer Zeit habe ich das Grundgefühl des Lebens in zwei Welten. Mit einem Bein stehe ich in der alten, wegbrechenden Welt; mit dem anderen Bein in der neuen, im Aufbau befindlichen Welt. Doch selten war das Gefühl wohl so stark wie in den letzten Tagen.
In der medialen Außenwelt stehen die Zeichen jetzt offen auf Eskalation. Israel beschießt Iran, Russland-Ukraine geht unvermindert weiter, der russische Gegenschlag steht noch aus, L.A. versinkt im halben Bürgerkrieg und wer in Deutschland Corona-Aufarbeitung fordert, gilt inzwischen als Fall für den Verfassungsschutz; ebenso, wer staatliche Überwachung kritisiert. Derweil trifft sich Bildberberg, um u.a. über „Bevölkerungsreduktion“ (depopulation) zu sprechen. Welches brennende Interesse eint wohl u.a. einen Palantir-CEO, Peter Thiel, Lars Klingbeil, Julia Klöckner, Springer-Döpfner und Albert Bourla von Pfizer, dass man es für nötig hält, sich dafür drei Tage in ein Luxus-Hotel sperren zu lassen und geheimniskrämerisch vor Kameras davonzulaufen? (Video: Twitter/X)
Nahtoderfahrung (oder NATOderfahrung?) im Außen für eine brüchige Ordnung; Lebendigkeitserfahrung im Innern, mit den richtigen Menschen um mich herum.
Denn letzte Woche erlebte ich die Fortsetzung des Inner Circles am Gardasee mit einer wundervollen Gruppe aktiver und wacher Leser. Uns eint der Gedanke, dass die Lust auf Gestaltung der Zukunft den Schrecken vor der Gegenwart überwiegt. Selten spürte ich die Synchronizität der zwei Welten so stark wie hier: das Alte geht aus dem Leim, das Neue formiert sich, analog in direktem Austausch. Alles synchron. In Zeiten grassierenden Nihilismus ist das beste Gegenprogramm die Erfahrung der Selbstwirksamkeit. Hannah Arendt hat diesen Moment im Leben als zweite Geburt beschrieben: Man wird ein zweites Mal geboren, wenn man auf der Welt nicht nur existiert, sondern zu handeln beginnt, in die vita activa eintritt.
Am Pfingstmontag beschloss die Gruppe schließlich die Statuten der Genossenschaft der Friedenstaube. Gunnar Kaiser wäre an diesem Tag 49 Jahre alt geworden und hätte sicher seine Freude an diesem Treffen gehabt. Auch Gunnar suchte nach Gemeinschaften und Refugien in immer stürmischer werdenden Zeiten. Er schrieb dazu einmal:
„Wer sind wir, allein gelassen mit unserer Autonomie, also? Welchen Inhalt hat ein Selbst noch, das sich ganz allein aus sich selbst heraus erschaffen muss? Schliesslich hat Identitätsfindung immer zwei Aspekte: den der Abgrenzung vom Überkommenen, vom Gruppenzwang, vom «Ruf der Horde» (Karl Raimund Popper) sowie den der Integration in Vorgefundenes: Wir sind, wer wir sind, nicht zuletzt durch die Gruppen, denen wir nun einmal angehören.“
Am Ende ist bei der Gruppenbildung alles eine Frage von Resonanz und Schwingungen. Ich mache immer wieder die Erfahrung, dass Menschen, die in den höheren Frequenzen von Mut, Zuversicht und Vertrauen schwingen, gemeinsam diese Energie potenzieren, während jene, die in den Frequenzen von Wut, Trauer, Scham und Schuld gehalten werden, sich noch gegenseitig Energie abziehen. Die Herausforderung unserer Zeit besteht darin, vereinzelte und auf Abstand gehaltene Individuen in eine Form der Vernetzung und Kooperation zu bekommen und ihre Kräfte zu bündeln.
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Erneuerung der Ordnung: auf die alte oder neue Weise
Freiheit ist das große Versprechen der Moderne. Und doch verstehen wir kaum, was sie verlangt. Der französische Philosoph Pierre-Simon Ballanche sah schon im 19. Jahrhundert, dass Freiheit nur auf den ersten Blick das Ziel der Geschichte sei. Tatsächlich ist sie der Lohn für etwas viel Tieferes: das Opfer. Für Ballanche ist die Geschichte ein göttlicher Prozess der Läuterung: Schuld wird begangen, Sühne muss folgen, das Opfer wird gebracht — und erst daraus wächst Freiheit. Die Französische Revolution war für ihn kein Endpunkt, sondern eine blutige Stufe auf dem Weg zu höherer Ordnung.
Auch der moderne Psychologe Jordan B. Peterson knüpft hier an: Das Leben ist Leiden. Und Sinn entsteht nur, wenn wir freiwillig Verantwortung für unser Leiden übernehmen. Freiheit bedeutet nicht, dem Leiden zu entkommen, sondern es sinnvoll zu tragen. „Pick up your damn cross“, sagt Peterson. Ohne diese Bereitschaft bleibt Freiheit bloße Anmaßung.
Unsere Welt leugnet diesen Zusammenhang. Wir sprechen von Freiheit als „Recht auf…“, aber kaum als „Pflicht zu…“. Wir wollen Wahlfreiheit ohne Konsequenzen, Identität ohne Bindung, Konsum ohne Leistung. Doch der metaphysische Preis wird trotzdem fällig. Verweigertes Opfer staut sich in der Geschichte auf. Was wir heute als Krise erleben, sind die Symptome einer Zivilisation, die ihr Opferkonto überzogen hat.
Freiheit verlangt immer, dass jemand zahlt. Entweder wir selbst — bewusst, freiwillig, verantwortungsvoll. Oder die Geschichte kassiert uns kollektiv ab. Der Weg zur Freiheit führt immer durch das Opfer hindurch. Alles andere ist Illusion.
Gegenüber dem grassierenden Nihilismus unserer Zeit stehen daher zwei Wege zur Verfügung, der passive oder der aktive Weg.
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