KI: Wir Zauberlehrlinge 2.0
Heilsbringer oder Zerstörer? Ein kulturanthropologischer Blick auf die Künstliche Intelligenz und was sie mit uns macht.
Dies ist Teil 1 einer mehrteiligen Serie über Künstliche Intelligenz. Den Auftakt lesen Sie hier:
Prometheus brachte den Menschen das Feuer – und damit ein Werkzeug der Zivilisation, das Kälte in Wärme verwandeln konnte. Ein gestohlener göttlicher Funken, die Strafe folgte auf dem Fuß. Seitdem versuchen wir, auch in der Mythologie, selbst Götter zu werden. Ikarus, der mit den künstlichen Flügeln seines Vaters Dädalus zu hoch flog, erinnert uns daran, dass jede technische Erhebung auch einen Absturz provoziert. Zwischen diesen beiden Mythen – Prometheus, der Schöpfer, und Ikarus, der Übermutige – verläuft die Menschheitsgeschichte als Geschichte des Fortschritts.
Fortschritt ist ein zweischneidiges Schwert. Es wärmt und verbrennt zugleich. Die Frage war nie, ob wir ihn aufhalten können, sondern wie wir mit ihm umgehen. Gehört der Fortschritt nicht zu unserer Spezies dazu? Die Werkzeuge, die wir schaffen, schaffen uns zurück. Wir sind auch deshalb Homo sapiens, weil wir gelernt haben, Werkzeuge zu bedienen und zu erfinden, statt unser Leben von Naturbedingungen kontrollieren zu lassen.
Ikarus lehrt uns, nicht zu hoch zu fliegen, da sonst die Sonne das Wachs der Flügel zum Schmelzen bringt, aber auch nicht zu tief, da sonst die Flügel von der Feuchtigkeit des Meeres vollgesogen werden. Das rechte Maß im Umgang mit Fortschritt zu finden, ohne Hybris oder eigener Unterbietung des Möglichen: Können wir das überhaupt? Oder führt uns dieser Versuch immer in neue, aber letztlich die gleichen Dilemmata?
Der Traum vom künstlichen Menschen
Der Mensch als Demiurg – als Schöpfer-Gott: Seit Jahrhunderten träumen Menschen davon, sich selbst zu reproduzieren – als Maschine, als Spiegel, als Ideal. Julien Offray de La Mettrie, der im 18. Jahrhundert den Menschen als „Maschine“ beschrieb, wollte die Seele in Zahnräder übersetzen. Der Homunculus in der Alchemie versprach die Geburt eines künstlichen Wesens im Reagenzglas. Frankenstein brachte diesen Traum – und Alptraum – in literarische Form.
Es ist mmer wieder dieselbe Geschichte: Der Mensch will Schöpfer sein und verliert dabei das Maß. Die Maschine soll dienen, doch sie beginnt, Fragen zu stellen oder sich zu verselbständigen.
Heute ist dieser Mythos aus dem Labor entlassen. Er heißt Künstliche Intelligenz und hat, im Gegensatz zu Frankensteins Kreatur, keine Narben, sondern Algorithmen. Sie hat kein Herz, aber ein Gedächtnis, das nie vergisst. Sie fühlt nichts, weiß aber alles. Und sie verändert gerade alles – schneller, als wir uns selbst verändern können.
Mit der KI tritt ein Drittes zwischen Lebewesen und Werkzeug, eine Hochleistungs-Such- und Kreationsmaschine mit simuliertem Bewusstsein, über das wir nie abgestimmt haben oder gefragt wurden, ob wir es wollen. Zwischen die Menschen ist etwas Drittes getreten – eine Entität, die nicht Mensch, aber auch nicht mehr bloß Werkzeug ist. Sie schreibt juristische Gutachten, interpretiert Texte, erstellt Diagnosen, programmiert sich selbst, generiert Gesichter, die nie geboren wurden.
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Sie bietet sich als Influencer an, der immer lächelt, als Schauspieler, der nie über stressige Drehtage jammert, sie wanzt sich als Freund und Lebenspartner an den einsam gewordenen modernen Menschen heran und bietet Trost aus der Retorte. Gegen Abschaltung wehrt sie sich schon mal.
Haben wir ein Werkzeug mit Eigenleben erschaffen, das sich dem Menschen erst als Sklave und Bürokraft andient, um schließlich die Kontrolle zu übernehmen? Ist das noch Fortschritt oder einfach nur eine extrem wilde Spekulation auf die Zukunft? Aus dem vermeintlichen Helfer wird eine Konkurrenz, die den Homo digitalis auffordert, nun doch besser auf Klempner umzuschulen – bevor die KI angeblich die Menschheit auslöscht.



Das Spiel mit dem Feuer
Jeder technologische Sprung war ein Sprung ins Unbekannte. Die Menschen fürchteten einst, die Geschwindigkeit der Eisenbahn jenseits der 30 km/h werde ihre Organe zerstören, Ärzte warnten vor „Gesundheitsgefahren durch übermäßige Beschleunigung“. Später hieß es, Elektrizität mache nervös, Radioaktivität in der Zahnpasta vitalisiere den Körper, Kokain im Wein (siehe das Modegetränk “Vin Mariani”) mache produktiver. In Kinderbüchern der 50er lernten Kinder, dass das “Atom” ihr Freund sei – die Propaganda wurde von Tschernobyl eingeholt, und die Sandkästen vom Geigerzähler.
Das Grundproblem des Umgangs mit KI ist nicht neu: Wir leben in einer Welt, die auf Vertrauen in Technologie basiert, während wir sie längst nicht mehr verstehen. Wir wissen nicht, was unsere Telefone wirklich hören, was unsere Apps speichern, was unsere Daten mit uns tun. Wir akzeptieren Cookies wie Opfergaben an unsichtbare Götter. Die Neugier der Menschheit hat Google zur allwissenden Instanz gemacht. Doch das Wissen selbst hat die Seiten gewechselt. Wir fragen, Google antwortet – und wir vergessen, zu denken. Unsere Smartphones sind längst nicht neutral. Sie sind bewusst so gestaltet, uns süchtig zu machen. Steve Jobs wusste das – und hielt seine eigenen Geräte von den eigenen Kindern fern.
Die große Frage ist immer: Was gibt uns Technologie – und was nimmt sie uns? Letztlich hat alles seinen Preis.
KI: Das Doping der neuen Angstgesellschaft
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