Liebe Eltern, nehmt den Kindern endlich das Smartphone weg! (und die KI?)
Digitales Erziehungsversagen ist zum Lifestyle geworden. Wer schützt Kinder vor der Datenindustrie?
In Kürze starte ich eine mehrteilige Serie über Künstliche Intelligenz – ein Thema, dessen Tragweite für Arbeitswelt, Gesellschaft, Politik und letztlich alle Lebensbereiche kaum zu überschätzen ist. Gleichzeitig sind wir auf diese Entwicklung in keiner Weise vorbereitet.
Wie sollen wir mit solchen Technologien umgehen, insbesondere im Hinblick auf Kinder und Jugendliche? Ich erinnere mich an die Debatte um Smartphones: Auf der einen Seite standen jene, die Kindern den Zugang nicht verwehren wollten, um sie auf die Zukunft vorzubereiten. Auf der anderen Seite standen die Warner, die auf Risiken wie den Verlust kognitiver Fähigkeiten, Suchtpotenzial oder Mobbing hinwiesen.
Heute vergleicht Peter Sloterdijk Smartphones mit Drogen und Eltern mit Dealern. Jonathan Haidt hat ein erschreckendes Buch über den kognitiven Verfall junger Menschen vorgelegt. Eine MIT-Studie weist bei ChatGPT-Nutzern einen dramatischen Abfall der Hirnaktivität nach. „Brain rot“ – Gehirnverrottung – ist längst ein Trendwort geworden. In welche Welt bewegen wir uns?
Klar ist: Wir haben beim Thema KI nicht erneut nicht Jahre Zeit, um uns über deren Konsequenzen klar zu werden. Was kommt nach Brain rot? Die Wahl zwischen Debilität und Cyborgisierung?
Den folgenden Text habe ich 2018 geschrieben. Er löste viele Reaktionen aus, brachte mir auch Kritik ein – der Osservatore Romano hat ihn ungefragt zweitveröffentlicht. Vergelt’s Gott!
Smartphones für Kinder: ja oder nein? Diese Frage spaltet gerade die Meinungen vieler Eltern. Die Hilflosigkeit wächst mit der Ausbreitung der Geräte, nach den Erwachsenen sind jetzt die Kinder dran. Letztlich gibt der Netzwerkeffekt den Ton vor. Je mehr Menschen ein solches Gerät haben, desto mehr glauben, ebenfalls eines zu brauchen. Die Debatte wird jedoch allenfalls oberflächlich geführt, nämlich als Gretchenfrage des Digitalzeitalters: Wie hältst du es mit dem Fortschritt? Stattdessen sollte man fragen: Was bringen Smartphones Kindern, und was nehmen sie ihnen?
Hier zeigt sich ein Konflikt, der über die Frage hinausgeht, ob ein Taschencomputer für 800 Franken in die Hände eines zehnjährigen Kindes gehört oder nicht. Es geht im Kern um Massstäbe in der Erziehung, und die haben sich gewaltig verschoben. Daran sind nicht die Ansprüche der Kinder schuld, sondern die Haltung der Eltern. Kindeswohl bedeutet für manche nicht mehr, primär danach zu fragen, was dem Kind am besten tut oder dessen Entwicklung fördert, sondern schlicht, das zu tun, was die Kinder wollen.
“Das Gerede vom Anschluss an die Welt von morgen, den man angeblich nicht verpassen darf, ist pure Augenwischerei.”
Nicht die Eltern erziehen heute die Kinder, sondern umgekehrt. Die Eltern verstecken ihre Unwissenheit über Risiken und Nebenwirkungen früher Smartphone-Nutzung hinter der Illusion, die Kinder seien irgendwie näher an der Digitalisierung dran und kennten sich daher besser aus. Nach den Helikopter-Eltern, die das Kind nie aus den Augen lassen, und den Bulldozer-Eltern, die alle Probleme aus dem Weg räumen, damit das Kind auch ja nie lernt, wie man es selbst tut, kommen nun die Concierge-Eltern, die glauben, den Kindern jeden Wunsch von den Augen ablesen zu müssen.
Machen wir uns nichts vor: Hinter der digitalen Erziehungsverweigerung steht letztlich der Komfortwunsch der Eltern. Konsum und Unterhaltung zu Pädagogik umzulabeln, wird jedoch ebenso wenig funktionieren, wie das früher bei der Debatte um Fernsehkonsum oder Computerspiele funktioniert hat. Techniknostalgie («wir haben damals auch bis zum Sendeschluss TV geguckt»), Technikignoranz («ist doch nur ein Kommunikationstool wie das Telefon») und der Verweis auf das Erziehungsversagen der anderen («die Hälfte der Klasse hat auch ein Smartphone») sollte niemandem mehr zur Gewissensberuhigung reichen.
Das Gerede vom Anschluss an die Welt von morgen, den man angeblich nicht verpassen darf, ist pure Augenwischerei. Das Smartphone bereitet Kinder nicht aufs Leben vor, es lenkt eher davon ab; die Benutzung von Siri, Google Maps oder Candy Crush kann man später immer noch lernen. Verträge dürfen Minderjährige ohnehin noch nicht abschliessen. Unbemerkt entäussern sie sich jedoch ihrer Daten, lassen sich tracken und erstellen spielerisch nebenbei eine digitale Akte von sich. Viele Kinder isolieren sich, sehen weniger Sinn in Gemeinschaftserlebnissen, schliesslich schickt man sich ja den ganzen Tag schon Emojis, Gifs und amputierte Sätze.
Digitallobbyisten vom Schlage Sascha Lobos reagieren auf Kritik am Smartphone trotzdem gewohnt beleidigt; er selbst hält die Debatte für rückwärtsgewandt und vergiftet. Doch warum ausgerechnet Kinder als Versuchskaninchen für naiven Optimismus der Älteren herhalten sollen, erschliesst sich nicht. Dass Apps süchtig machen sollen, behaupten längst nicht mehr nur Kritiker, sondern die Konstrukteure selbst. Von einem Werbetexter muss man vielleicht keine Gesellschaftskritik erwarten, aber vielleicht doch die Beschäftigung mit ein paar Kritikpunkten, die aktueller sind als die eigene Frisur.
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The parents are just as addicted so which addict is going to take away drugs from another addict? Never happened in history, most parents are clueless and love their devices more than many a thing...It is being nudged via the school systems into the hands of the little ones, for the greater good or better learning or something. Thanks for picking up the topic though, Grüß Gott!
Die Wirklichkeit der Smartphones hat die bösen Vorahnungen und Bedenken weit hinter sich gelassen. Zusätzlich werden alle Bürger mit der Brechstange in die Smartphone-Abhängigkeit gezwungen. Jetzt wird über ein Smartphoneverbot in den Schulen diskutiert. Wer soll das überwachen und durchsetzen? Die richtige Lösung, die Schulung durch Technik zu "funktot" zu machen, wird nicht einmal angesprochen. Stattdessen wird nur darüber diskutiert, wann ein Smartphone/Handy in der Schule notwendig sein kann. in einem solchen geistigen Umfeld sind ernsthafte Diskussionen über KI nicht zu erwarten. Ergebnisse von KI werden gläubig hingenommen und als unantastbar angesehen. Wer macht sich die Arbeit, selbst im Internet oder gar in Büchern zu suchen, wenn Google fertige Antworten liefert. Wer will sich eine fremde Sprache aneignen, wenn Smartphones und Brillen(!) gesprochenen Text sofort übersetzen? Wer prüft die Authentizität von Fotos und Filmen, obwohl Mimik und Sprache einschließlich lippensynchroner Übersetzung mit frei verfügbarer Software(teilweise sogar kostenlos) einfach verändert werden und Bilddetails praktisch beliebig verändert, gelöscht oder hinzugefügt werden können. Kritisches Denken oder Hinterfragen ist nicht nur nicht mehr üblich, sondern unerwünscht und wird, wenn möglich, massiv bekämpft (vgl. Corona, Migration und Ukraine-Krieg). Über China und die dortigen Freiheitsgrade wird intensiv diskutiert. Als wenn es im Werte-Westen besser wäre. Nur sind hier die Unterdrückungsmechanismen etwas eleganter aber nicht weniger wirksam. Man denke nur an den Sprachmurks mit ":" und Abschaffung des generischen Maskulinums und wie gegen den Willen der Bürger dies durchgesetzt wird.