Was will Jordan Peterson?
Er ist der wirkmächtigste Intellektuelle der Welt und hat eine Mission. Welche?

Schwierige Zeiten bringen oft starke Persönlichkeiten hervor; gute Zeiten dagegen eher schwache, die dann wiederum mangels geeigneten Rüstzeugs wieder für schwierige Zeiten sorgen. Die Generation Y gehört eher zur zweiten Kategorie. Sie hat sich durch Überbehütung in ein zivilgesellschaftliches Wachkoma hineinpäppeln lassen. Beschwerdekultur und Opferkollektivismus sind ihr Programm, Bildungsanstalten ihre Kokons und die Wände der sozialen Netzwerke ihre Klagemauer. Und das Schlimme daran: Diese Haltung regiert zunehmend in allen Lebensbereichen wie eine Epidemie.
Nicht nur fehlt es in unserer Gesellschaft an einem Training für den Ernstfall in Sachen «Antifragilität», also der Fähigkeit, aus Problemsituationen gestärkt hervorzugehen. Tatsächlich wird unter dem Mantel der Wertschätzung und Achtsamkeit ein Kult der Schwäche zelebriert. Opferstatusdenken, Political Correctness und Safe Spaces sind jedoch nur Trostpreise für gesellschaftliche Relevanz. Sie ersetzen die Stärkung des Einzelnen entweder durch Anbindung an ein Beschwerdekollektiv oder an Führerpersönlichkeiten. Der Kult der Schwäche alimentiert links wie rechts einen neuen Autoritarismus.
Der kanadische Psychologe Jordan B. Peterson bietet dagegen eine psychologische Hochrüstung des Individuums: Er plädiert in Youtube-Videos und Büchern für mehr Eigenverantwortung, Arbeit an sich und an der Welt sowie Selbstermächtigung. Er trifft einen Nerv der Zeit, wenn er dafür eintritt, eine Welt voller Schwierigkeiten, Furcht und Schmerzen als gegeben zu akzeptieren und sich ihr entgegenzustellen, statt das Gesicht unter dem Kopfkissen der Schwächekultur zu vergraben. Petersons wohl bekanntestes Buch «12 Rules For Life» ist eine Mischung aus Streitschrift, Hilfe zur Selbsthilfe und Kulturkritik. 30 Jahre Kuschelpädagogik sind offenbar genug: Die nun erwachsenen Millennials erkennen gerade, dass sie mit der Verhätschelung auch ein Defizit in Sachen Persönlichkeitsentwicklung mitbekommen haben.
Peterson wurde bekannt als einsamer Streiter für die Freiheit der Rede und Enttarner linker Doppelstandards bei der Bekämpfung Andersdenkender. Er plädiert für Konfrontation statt Tribalismus. Echte ungeschminkte Debatten zwischen linken und rechten Intellektuellen, zwischen Feministinnen und Männerrechtlern, zwischen Religionsanhängern und Atheisten: Warum gibt es die eigentlich nicht auch bei uns? Stattdessen regiert die billige Münze der delegierten Empörung. Wenn man die Generation Y später fragt: «Was habt ihr je gegen den Autoritarismus gemacht?», dann müsste sie derzeit antworten: «Wir haben mal auf einer Anti-Hass-Demo in Berlin bei Sonne und Techno die AFD ordentlich gehasst und danach dem Gauland am Badesee die Klamotten versteckt.» Ernsthaft? Es gab nie ein besseres Rekrutierungsprogramm für den Anti-Mainstream als den hasenfüßigen Heroismus eines Teils des linken Mainstreams.
Die Generation Y unterliegt seit je vor allem zwei Verzerrungen: Sie ist überoptimistisch, was die eigenen Fähigkeiten angeht, und hat keine Sensorik für die Brüchigkeit der Welt um sie herum. Auftretende Krisen hält sie für normal und lösbar, sei es durch «Mutti», einen Expertenkreis oder die EZB. Nicht das Einhorn gehört auf die Flagge der Generation Y, sondern der Vogel Strauß. Dabei entstehen große gesellschaftliche Veränderungen oft wie ein Tsunami: Anfangs sieht die Welle harmlos aus, doch erst einmal aufgetürmt, ist es oft zu spät. Wir müssten längst an einem Frühwarnsystem für die Zukunft arbeiten. Petersons psychologische Rosskur bietet dafür einen guten Anfang.
Jordan Peterson ist gerade auf Tour durch Europa und die Welt. Dieser Text erschien in seiner Urform ursprünglich in der NZZ und war einer der ersten im deutschen Sprachraum zum Phänomen Peterson.
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Zu vermuten ist, dass es Mr. Peterson so geht wie allen anderen Aufklaerern dieser Zeit. Diejenigen, die er anspricht, die z.B. zu seinen Vortraegen kommen oder seine Buecher lesen, sind nicht diejenigen , um die es "eigentlich" geht. Die anderen werden auch auf diese Art nicht zu erreichen sein, schlicht deshalb was Mr. Peterson auch weiss, denn er ist vom Fach, weil die Abhängigen und Junkies so nicht zu erreichen sind. Es hat seine Gruende, warum es die von ihm zutreffend beschriebenen Charaktere heute zuhauf gibt. Sie fielen nicht vom Himmel. Es hat Gruende, warum nicht wenige "Westler" sich heute so verhalten, dass man von Neurosen, zumindest von (biospsychologisch) unnnormalen Verhalten sprechen kann. Die Attraktivität von (gruenen) Sekten, von Illusionen und Märchen, von Glauben statt Denken, von (Selbst) taeuschungen, die absolute Dominanz des Dopamin resp Belohnungszentrums, bedarf eher einer Psychotherapie als einer Aufklärung von Menschen, die "nur" mal kognitiv falsch abgebogen sind. Dass die Kognition allgemein im gewollten Niedergang begriffen ist, die Regression ist offensichtlich, macht die Aufklärung nicht erfolgreicher. Ich wuensche ihm viel Erfolg, aber realistisch betrachtet ist es angesichts der Verfasstheit von Gesellschaft und Individuen zumindest eine Herkulesaufgabe, vermutlich mehr.
Jordan Peterson: Super-Typ
Milosz Matuschek: Super-Text