Widerstand wirkt – deshalb ist er so gefürchtet
Ziviler Ungehorsam hat viele Seiten. Doch den meisten Bürgern ist nicht bewusst, wie mächtig sie schon als Einzelne sind.
Seit jeher lautet die Frage aller am Puls der Zeit operativ Tätigen: «Was tun»? Wie kommt das Neue in die Welt und durch wen? Die Antworten darauf sind oft viel naheliegender, als viele denken. Und es ist bezeichnend, dass das Thema Widerstand immer noch ein Thema von Versuch und Irrtum zu sein scheint, eine Art Experimentierfeld, dem sich viele fast spontan und unüberlegt, jedenfalls aber ohne größere strategische Überlegung widmen. Dabei ist gut erforscht, was wirkt und was nicht.
Zuerst gilt es deshalb, den Begriff des Widerstands zu entmystifizieren und ihn eine pragmatische, demokratische Form zu bringen. Letztlich geht es um den normalen demokratischen Vorgang der Umwandlung einer Minderheit in eine Mehrheit durch geistige Akte und Handlungen mit Vorbildcharakter. Wenn in der Demokratie jeder Bürger ein Fürst ist, so steht jedem das Recht zu, mittels geistiger Aktionen auf die Willensbildung der Mehrheit einzuwirken. Jede Form des gewaltfreien Widerstands ist dabei gut. Aber es gibt bessere und schlechtere Möglichkeiten, um die Kraft auf die Straße und die Veränderung in die Köpfe zu bringen.
Warum Widerstand für die Mächtigen so gefährlich ist
Warum werden manche Menschen in gewissen historischen Situationen zu Widerständlern gegen ihre Zeit und andere nicht? Was bedeutet es, sich als Einzelner gegen den Trend der Zeit zu stellen? Die Antwort darauf ist oft weniger heldenhaft als viele vermuten. Gelegenheiten machen Widerständler. Der Widerständler sieht oft einfach eine Möglichkeit im Rahmen seines Handlungskreises, ein Zeichen des Widerstands zu setzen – und nutzt sie.
Zum Widerstand drängt ihn dabei oft ein unbezwingbarer innerer Trieb, ohne dass ein äußerer Gegendruck es vermag, diesen Trieb aufzuhalten. Der Widerständler fühlt sich innerlich durch die Zeitläufte quasi gegen den Strich gebürstet, sei es durch Angriffe auf sein Gerechtigkeitsempfinden, die Logik, die eingeübten moralischen Standards. Die Störung dieser inneren Harmonie macht äußere Akte des Widerstands notwendig, um im Rahmen des Möglichen wieder eine Kongruenz zwischen Innen und Außen herbeizuführen. Das innere Widerstreben sucht sich seinen Weg ins außen als Akt des Widerstands.
Widerstand ist dabei nicht notwendigerweise Häresie. Die Figur des Häretikers als Minderheitenheld gegen die irrende, an Doktrinen haftende Mehrheit ist zwar ein für viele anziehendes Konstrukt. Im Bezug auf die Corona-Thematik ist das Bild jedoch schief, um nicht zu sagen: falsch. Nicht die Maßnahmenkritiker oder Querdenker sind die Häretiker, sondern die agierenden Regierungen und die sie stützenden System-Medien. Letztere haben die Grundsätze der Demokratie verraten, den Rechtsstaat in den Tiefschlaf versetzt und die Prozesse der Ergründung und Verhandlung von Realität preisgegeben, um einen globalen Gesundheitskult mit totalitärem Anstrich zu errichten.
Akte des Widerstands sind stets Akte der Positionierung des Einzelnen zur Mehrheitsgesellschaft. Sie sind per se selten und stechen deshalb so hervor. Mut und Charisma sind nicht demokratisierbar. Im Akt des Widerstands, im Nichteinigsein mit der Welt und im deutlich ausgesprochenen «Nein» steckt eine Selbstbehauptung des Einzelnen und eine Selbstverortung im Großen Ganzen der Gesellschaft. Widerstand ist ein höchstpersönlicher, individueller Akt. Numerisch mag es sogar als ein Akt des Wahnsinns erscheinen: Ein Einzelner oder eine kleine Gruppe gegen eine stumme, amorphe Masse von Millionen vermeintlich Zustimmenden. Wieso sollte man es trotzdem machen?
Nun, dem Widerständler hilft ein fast schon magischer, im Prozess der Dynamik der Gesellschaft eingewobener Mechanismus, der alles zu seinen Gunsten verändern kann. Nennen wir es die «effektive Asymmetrie des Widerstands». Ein kleines Beispiel dazu: Als Albert Einstein seine Relativitätstheorie veröffentlichte, erschien ein Buch, in welchem Hundert Wissenschaftler darlegten, warum Einstein sich irrte. Die Reaktion Einsteins darauf: «Aber wozu Hundert? Einer hätte genügt, um mich zu widerlegen!»
Dem wissenschaftlichen Paria ist ebenso wie dem politischen Widerständler die Möglichkeit gegeben, durch nur einen einzigen Akt das Gefüge der Welt für einen Moment aus den Angeln zu heben und womöglich auf immer zu verändern. Die Machthaber wissen, dass letztlich schon ein Einzelner eine Gefahr für das sorgsam errichtete Narrativ-Kartenhaus darstellen kann. Und fürchten deshalb nichts mehr als den unbeirrten Einzelnen und seine Beständigkeit. Es genügt eben wie im Märchen «nur» ein Kind, das den Satz sagt «Der Kaiser ist ja nackt». Millionen Schweigende sind nichts gegen einen Mutigen, der im richtigen Moment die Wahrheit sagt und die Maske zum Fallen bringt.
Was tun?
Widerstand ist weniger eine Organisationsfrage als eine Charakterfrage. Widerstand ist kein Gruppenkuscheln, sondern zu Beginn immer ein individueller Akt. In der Geschichte waren es oft Einzelne, die mit kleinen Gesten Großes bewirkt haben. Der heimliche Pate des Widerständlers ist dabei Prometheus, der den Göttern das Feuer stahl und dafür bestraft wurde. Auf dem Platz des himmlischen Friedens genügte ein Einzelner, um einen Panzer aufzuhalten und eine Supermacht vor der Öffentlichkeit bloßzustellen. Rosa Parks, die sich weigerte, von einem Platz im Bus aufzustehen, der nur für Weiße bestimmt war, markierte den Anfang vom Ende der Apartheid in Amerika.
In Zeiten von Corona stellt sich die Frage: Widerstand, gegen wen oder gegen was? Gegen die Politik, die Medien, die WHO, die Maßnahmen?
Vaclàv Havel hat den Ansatzpunkt des Widerstands in seinem Buch «Die Macht der Machtlosen» bei der Gleichgültigkeit der schweigenden Masse verortet. Kluge Akte des Widerstands sind solche, die den bleiernen Schleier der Doktrin in der Gesellschaft durch ein effektvolles Symbol zumindest kurz aufzuklaren vermögen. Der erste Adressat des Aktes des Widerstands ist nicht das System, sondern der Mitmensch.
Auch im heutigen Corona-Regime geht es ganz überwiegend darum, Menschen voneinander fernzuhalten, langjährige Beziehungen zu fragmentieren und mit der Frage «wie hältst du es mit den Maßnahmen, mit dem Zertifikat, mit der Impfung etc.» immer neue Spaltpilze in die Gesellschaft zu tragen. Kluge Akte des Widerstands sind Akte gegen Spaltung und Akte des Brückenbaus. Der Widerständler muss nicht die Masse auf seinen Kurs bringen. Es genügt, wenn er eine Handvoll Mitmenschen von seiner Idee entfacht.
Viele Beispiele für Akte gewaltfreien, gelungenen Widerstands notiert beispielsweise Srdja Popovic, Mitbegründer von Otpor!, dem Widerstand gegen Milosevic in Serbien in seinem Buch «Blueprint for Revolution». Als besonders wirksam erwiesen sich humorvolle, satirische Aktionen, welche das Regime lächerlich aussehen ließen. Gegen Humor und Satire ist eben kein Kraut gewachsen.
In einer Aktion warfen die Aktivisten beispielsweise hunderte Gummibälle auf einen Platz mit versammelten Menschen. Demonstrationen waren offiziell verboten, Gummibälle nicht. Die Polizei versuchte alsbald die herumfliegenden Gummibälle einzufangen und machte dabei eine mehr als komische Figur. Eine Staatsmacht, die lächerlich wirkt, wirkt gleich viel weniger bedrohlich. Und Humor verbindet. Ein gelungenes Graffitti an gut sichtbarer Stelle, ein Flashmob im richtigen Moment oder eine kurze Ansprache in der U-Bahn oder Tram, senden Signale an die schweigende Mehrheit, sich ebenfalls aus der bleiernen Starre der Gleichgültigkeit zu lösen und Position zu beziehen.
Eine positive Strahlkraft, die vielen in Erinnerung geblieben ist, sind die musikalischen Flashmobs mit dem Lied «Danser encore» (deutsch: «Wir wollen endlich wieder tanzen gehen»), die ausgehend von Frankreich eine regelrechte Welle ähnlicher Darbietungen in anderen Ländern ausgelöst hatten. Gute Ideen erzählen sich von selbst weiter, gute Aktionen finden immer Nachahmer.
In dem Buch “Do it! Scenarios of the Revolution” beschreibt Aktivist Jerry Rubin weitere Techniken des gewaltfreien Widerstands. Damit sich Widerstand entfalten kann, darf zum Beispiel Ordnungskräften nicht die Möglichkeit gegeben werden, den Widerstand kurzerhand aufzulösen. Das kollektive Hinsetzen einer Demonstrationsgruppe auf einem öffentlichen Platz oder in einer Universität kann dafür bereits genügen. Apropos Universität: Was machen eigentlich gerade die Studenten?
Ein gelungener Akt des Widerstands entfaltet die Sprengkraft bereits im Kleinen. Er richtet sich nicht nach Klickzahlen und medialer Aufmerksamkeit. Der wirksamste Akt ist stets der Akt des Einzelnen in seiner Kompetenz- und Wirksphäre. Sicher ist die große mediale Aufmerksamkeit für Aktionen wie #allesdichtmachen und #allesaufdentisch gut und richtig. Aber es gäbe kein Video zwischen der Schriftstellerin Kathrin Schmidt und Marcel Barz, wenn nicht der Informatiker Barz zuvor auf die Idee gekommen wäre, die statistischen Ungereimtheiten zu sammeln und sie in einem Video zu verarbeiten. Allein, auf eigene Faust. Eben weil ihm die offizielle Darstellung der Gefährlichkeit der Pandemie widerstrebte. Aus Widerstreben wurde Widerstand.
Der Widerständler hat oft viel zu erleiden. Häme und Spott sind dabei noch das Geringste. Doch der Widerständler baut an der neuen, besseren Welt. Und hat dabei ein großes Privileg: das was er sich wünscht, kann er sich selbst erfüllen. Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt. Es ist nicht verboten, mutig zu träumen und gleichzeitig im Kleinen anfangen zu wirken.
Bevor man die Veränderung ist, die man in der Welt sehen will, wie es Gandhi formulierte, kann man schon mal damit anfangen, der Sand im Getriebe des bestehenden Systems zu sein. Als Widerständlerin oder Widerständler betritt man den Raum unendlicher Möglichkeiten zur Gestaltung der Welt.
Und mal ehrlich: Ist das nicht weitaus besser, als in Stallungsboxen als Corona-Partyvieh auf die temporäre Rückgewinnung von Fake-Freiheiten anzustoßen?
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Dass nicht die Widerständler, sondern die Regierenden, die Häretiker sind, erinnert mich an ein schönes Wort G. K. Chestertons aus seinem Buch "Heretics" (als Insel-Taschenbuch auf Deutsch unter dem Titel "Ketzer" erschienen):
"In früheren Zeiten legte der Häretiker seinen Stolz darein, kein Häretiker zu sein. Die Königreiche dieser Welt, die Polizei und die Richter - sie waren die Häretiker. Er war orthodox. Er nahm nicht in Anspruch, sich gegen sie aufgelehnt zu haben; sie hatten sich gegen ihn empört. Die Heere, die grausam Ruhe und Ordnung aufrechterhielten, die Könige mit ihren steinernen Gesichtern, die Repräsentanten der regulären Staatsakte, der ordentlichen Rechtsverfahren - sie alle waren auf dem Irrweg, hatten sich wie Schafe verlaufen. Der Mensch war stolz darauf, rechtgläubig zu sein, war stolz darauf, im Recht zu sein. Wenn er, umringt von der heulenden Meute, als Rufer in der Wüste die Stellung hielt, war er mehr als ein blosser Mensch: Er war eine ganze Kirche. Er war der Mittelpunkt der Welt; um ihn kreisten die Gestirne. Keine Folterqualen aus den finstersten Abgründen der Hölle hätten ihn zu dem Eingeständnis bewegen können, häretisch zu sein. Ein paar moderne Phrasen aber genügen, dass er sich heute eben damit brüstet. Er sagt verlegen lachend: 'Ich hoffe, ich bin Ihnen nicht zu ketzerisch' und sieht sich beifallheischend um."
Großartiger Artikel!