Der Wandel liegt in der Luft
Es muss oft erst schlimmer werden, bevor es besser wird. Warum wir die jetzige Machtprobe für uns entscheiden werden.
Ich weiß nicht wie es Ihnen geht, aber ich wäre manchmal gerne ein anderer und im Sommer bin ich es dann. Als Journalist ist man täglich auf der Hut, stets aufmerksam, um ja nichts zu verpassen. In den Sommerferien holt sich der Kopf dann seinen Freiraum zurück: Ich registriere die Dinge um mich herum noch, doch werde ich nachsichtiger, nehme bewusst Distanz, hin und wieder zuckt noch der Zeigefinger in Richtung Tastatur. Und dann gewinnt doch das Gefühl: Lass es. Nicht jetzt. Es hat Zeit. Sollen doch die anderen mal. Sich nicht immer äußern zu müssen, auch wenn es in einem schwelt, das ist auch eine Art Kraftübung und kleiner Tribut an die Zeit der freien Tage.
Und doch: Ein gänzliches Ausspannen will mir in diesen Zeiten kaum mehr gelingen. Ist der Kopf mal etwas freier, besetzen ihn anderen Gedanken umso stärker. Und das sind dann Gedanken einer anderen Größenordnung. Es geht dann weniger um das nächste Thema oder den nächsten Text, sondern um die Frage, ob die jetzige Counterculture-Bewegung stark genug ist, um die nächsten Einschläge zu überleben. Die Aussicht auf den Herbst betrübt, auch weil ich sehe, wie sich die Covid-Klima-Panik-Fraktion wieder warm läuft, ach sie war nie zum Stillstand gekommen, nur der Aktienkurs von Biontech hatte gelitten. Die EU hat ein Mediengesetz (Digital Services Act) in Kraft gesetzt, welches Ungutes erwarten lässt. Womöglich geht dem freien Wort demnächst gänzlich das Licht aus, Webseiten könnten blockiert werden, Suchergebnisse verschwinden, noch mehr Kanäle gelöscht werden. Es ist immer gefährlich Recht zu haben, wenn die Mächtigen Unrecht haben, wusste schon Voltaire. Machen wir uns nichts vor: wir sind mitten in einem multipolaren Krieg, von welchem der Informationskrieg nur ein Teil ist. In diesem geht es um den Kampf um Fakten. Also letztlich um die Realität.
Ich habe hier in einem früheren Sommerrückblick mal gewitzelt, dass ich die ganze Corona-Zeit als mein unfreiwilliges soziales Jahr ansehe (und das nach abgeleistetem Wehrdienst). Inzwischen sind es drei Jahre. Und der Freiwilligendienst fühlt sich eher an wie die ungewollte Einberufung an die Informationskriegsfront, Abteilung Gegenaufklärung. Publizistisches Partisanentum. Wer frei schwebt, ist nicht unterwanderbar, nicht abstellbar, von niemandem abhängig, da allen gleich verpflichtet, und der Wahrheitssuche an erster Stelle. Manchmal bekommt man Breitseiten, wie dieses Stück in der “Republik” über Infokrieger, von denen ich einer sein soll. Im Sommer nun sehe ich, wie sich die Republik gerade selbst zerlegt, in einem Steuer- und Orga-Chaos versinkt, jetzt kommt noch ein Missbrauchsskandal mit Vertuschungsversuchen dazu. Der Kollaps von Morsch-Moralistan als Live-Event. So treiben die Gegner dann den Fluss herunter, an einem vorbei, und es kümmert einen dann doch so wenig. Danke, liebes Karma.
Was ist das Große, an das ich denke? Es ist mehr als das Kleine, welches ich jeden Tag als Einzelkämpfer versuche. Sprich: eine Bündelung der kritischen Kräfte, gleichzeitig mehr Resilienz für das freie Wort und mehr Durchschlagskraft im Debattenraum. Der große Traum vom Bürgerjournalismus von unten, an dem jeder partizipieren kann und zwar auf unzensierbaren Plattformen, in einem dezentralen Krypto-Ökosystem. Die Wahrheitsmaschine, die ich mal angeträumt habe.
Oder einfach nur etwas Besseres, als jetzt Realität ist. Ihnen im Vertrauen: Ich arbeite daran, nicht erst seit gestern und auch nicht allein und will Ihnen in Kürze etwas mehr dazu sagen. Es drängt mich zum Neuen, Unbekannten, weil ich mich gespalten fühle: Mit einem Bein stehe ich im 19. Jahrhundert, der romantischen Welt des Schriftsteller-Lebens, des Flaneurs in Paris mit Balzac und Miller unterm Arm im Café Wepler an der Place de Clichy. Mit dem anderen Bein stehe ich in der Zukunft und sinniere darüber, wie man die jetzige Informationsmatrix am besten zerschießt. In der Gegenwart bin ich ein Fremdkörper. Das gegenwärtige Mediensystem ist ein Infokartell. Wer entscheidet, was wir täglich in Zeitungen lesen? Man kann sie fast an einer Hand abzählen. In Frankreich kommen 90% aller verkauften Bücher von etwa zehn Verlagskonglomeraten. Wie kann man die partizipativen Kräfte der Einzelnen technologisch so hebeln, dass man die Macht zentralisierter Kräfte teilt? Es ist die alte Vision des Appells für freie Debattenräume, doch diesmal in der Sprache von Code, von Einsen und Nullen: Befreien wir das Denken aus dem Würgegriff! Die Werkzeuge dazu liegen vor uns. Auch der Buchdruck war einst die Zerschlagung eines kirchlichen Publikationskartells. Die Schleifen der Geschichte, sie sind doch immer die gleichen. Und das Schicksal schickt uns doch immer wieder auf die gleiche Reise, ob wir wollen oder nicht.
Die kulturelle Hegemonie des linken Mainstreams, sie wird in den kommenden Monaten und Jahren fallen. Wer sich darüber freut, freue sich nicht zu früh, denn bis dahin kann es noch hässlich werden, weitaus hässlicher. Die Vorboten des Verfalls des alten Hegemons sehen wir bereits täglich: Wen sie canceln, den bringen sie auf Bestsellerlisten; ihr LGBTQ-Bier (Bud-Light) zerlegt sich mit Milliardenschaden von selbst. Ein Boris Reitschuster erreicht auf Rumble inzwischen mehrere Millionen an Aufrufen, zum Beispiel wenn er offenlegt, wie inquisitorisch ein Lanz einen Aiwanger behandelt, während dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk und dem Mainstream das Vertrauen abfließt, wie aus einem Tessiner Sturzbach. Ein unbekannter Musiker namens Oliver Anthony kann mit einem Protestsong („Rich Men North of Richmond“) aus dem Stand ein Millionenpublikum erreichen.
Meme-Künstler mit einer millionenfachen Followerschaft haben ihr Publikum informierter durch die Pandemie geführt als alle Mainstream-Medien zusammen. Jeder weiß: "The Left can’t meme“. Humor wechselt letztlich immer dorthin, wo noch gelacht werden darf. Auch wenn es zwischenzeitlich Galgen-Humor ist.
Botho Strauss hatte den Medienbetrieb vor ziemlich genau 30 Jahren als virtuelles Schaustellergewerbe bezeichnet und sich gefragt, wann wohl der Umkehrpunkt der jetzigen Entwicklung kommt. Ich würde stets sagen: Wenn, dann nach dem Aufprall, wenn er denn mal kommt. Vielleicht rauscht alles einfach immer nur noch weiter runter, mal schneller mal langsamer. Wir wissen nicht, wo der Boden ist. Doch je tiefer er ist, desto härter wird der Aufprall.
Ich ziehe aus dieser Situation eine seltsame Zuversicht und diese speist sich aus dem Wissen darüber, dass jede Aktion eine Reaktion hervorruft. Nichts hat mehr für die Entwicklung zensurresistenter Technologie getan als – richtig: Zensurversuche. Je stärker die Machthaber drücken, desto notwendiger und wahrscheinlicher werden Hebel des Gegendrucks. Je schändlicher sie lügen und fälschen, desto größer ist die Sehnsucht nach einem Körnchen Wahrheit.
In Zeiten der Verzweiflung entsteht oft eine seltsame Synchronizität von Ideen, die dann plötzlich in der Luft liegen und die irgendwer einmal aufheben und neu zusammensetzen wird. Als Autor glaube ich an die Macht von Ideen und Worten. Wären diese machtlos, müsste man sie nicht so vehement bekämpfen. Die Wahrheit, so heißt es, braucht keinen, der ihr hilft, man muss sie einfach nur wirksam werden lassen, also die Fesseln und Blockaden entfernen.
An dieser Stelle werde ich weiter arbeiten. So wie bisher und zugleich etwas anders.
Ein paar Veranstaltungsankündigungen:
Ab dem 7.09. findet in Berlin eine internationale Ausstellung für “Freiheit 2.0” statt, Eintritt ist frei.
Vom 14.-17.09. findet in Innsbruck die größte deutschsprachige Bitcoin-Konferenz statt. Ich werde dort in einem Redeauftritt darlegen, warum Bitcoin ein revolutionärer Sprengsatz ist (Karten gibt es hier).
Vom 16.-17.09. findet in Zürich der Aletheia-Kongress statt, ich werde am 17.09. bei einem Panel zum Thema Neue Medien mitwirken (Karten gibt es hier).
Am 18. und 19. bin ich auf dem Münchener Oktoberfest. Sprechen Sie mich bei Bedarf vor 17 Uhr an. Man sieht sich im Bierzelt.
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Ich teile diese Zerrissenheit. Ich übe mich deshalb in Ambiguitätstoleranz: den Zwischenzustand aushalten und sensibel dafür bleiben, wo sich positive Entwicklungsschlumpflöcher auftun. Wie Wasser dorthin fließen, wo und wie es besser sein könnte.
Was wird die Zukunft bringen? Vielleicht hilft ein Blick zurück. Was ich dort sehe ist, das Umstürze und Zusammenbrüche nie das wirklich Bessere hervorgebracht haben. Jedenfalls nicht dort, wo um- oder zusammengestürzt wurde.
Das Bessere oder neutraler: das Neue, Zukünftige ist vielmehr immer schon da. Es entsteht nicht endlich plötzlich. Es ist schon da am Rand und im Dazwischen. Es ist auch nicht das, was umstürzt. Vielmehr ist es das, was überlebt. Weil es jetzt noch klein und flexibel ist.
Das Zukünftige ist das Gegenwärtige, das auf den Trümmern des Zusammengestürzten gedeihen wird.
Was sind die Kennzeichen dieser schon existierenden Zukunft? Es ist klein, geradezu zierlich, und genügsam und flexibel. Vor allem flexibel und genügsam. Denn dadurch kann es dem wankenden Koloss ausweichen und die Zeit aushalten, bis er fällt.
Und es existiert versteckt, d.h. unter dem Radar. Würde es da nicht, liefe es Gefahr, einen Fausthieb des im Fallen begriffenen Riesen abzubekommen, der ja nicht kampflos untergehen will.
Ja, so stelle ich mir das vor. Es werden tausend Blumen blühen, wenn die Reiche untergegangen sind.
Sehr starker und ermutigender Beitrag! Und ja, wir dürfen und brauchen uns den Humor nicht nehmen lassen, - auch wenn mir bisweilen nur der Sarkasmus bleibt:
Das war eine gute Schule! Wir hatten schlechte Lehrer… und mussten selber denken!
Das war ein guter Staat! Wir hatten schlechte Politiker… und mussten selber handeln!
Das war eine gute Kirche! Wir hatten schlechte Pfarrer… und mussten selber glauben!