Die große Enteignung durch die Bürokratie
David Rogers Webb, "Die große Enteignung": Eine Rezension für alle, die etwas zu verlieren haben.
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Prolog: Der Mensch und sein Eigentum – wo lernt man am besten etwas darüber? Nach meiner neuesten Erfahrung würde ich sagen: Vielleicht auf Bali und zwar von den Langschwanzmakaken, einer Affenart, die hier in Wäldern und Tempelanlagen überall anzutreffen sind.
In einer Tempelanlage bei Ubud leben drei dieser Affenstämme zusammen, in relativer Konkurrenz; Kämpfe (und Verletzungen) sind keine Seltenheit. Hält man ihnen eine Erdnuss hin, greifen sie schon nach der nächsten – dafür lächeln sie auch einmal und setzen sich auf die Schulter. Passt man nicht auf, entreissen sie einem die Tüte mit Erdnüssen bzw. Bananenstückchen. Versuche, diese zurückzubekommen, können Aggressivität auslösen, auch die Affenwelt kennt Varianten von räuberischem Diebstahl bzw. Erpressung. Klaut einem das Äffchen gar das Handy, darf man auf den Ausgang einer Verhandlung gespannt sein, bei dem der Affe den Preis des geklauten Gutes genau kennt und sich wie auf dem Basar in Marrakesch verhält.
Es sind interessante Lektionen, die wir aus der Tierwelt lernen. Das Reale, was man tatsächlich in der Hand hält, bekommt einen anderen Wert, als das, von dem man glaubt, dass es einem nur „gehört“. In Krisenzeiten ist die Erkenntnis wichtig, weniger auf die nächsten Kursbewegungen und weiteres Wachstum zu schielen, sondern auf das zu achten, was schon oder noch da ist. Vermögenssicherung statt Vermögensmehrung ist in Krisenzeiten das Thema, gerade flackern an den Märkten wieder Crashgefahren auf, die zur Vorsicht stimmen. In Crashs fallen die Preise sehr schnell, und zwar bei fast allen Vermögensklassen - in solchen Phasen sind langweilige Bankkonten und Gold dann plötzlich gefragter, als die heisseste Aktie oder der steilste neueste “coin” – oder einfach nur ein paar Erdnüsse oder Bananen, die wirklich einem selbst gehören.
David Rogers Webb, ein ehemaliger Hedge-Fonds-Manager, hat ein nicht allzu dickes Buch geschrieben, aber darin einen “dicken Hund” vergraben: Wir befinden uns mitten in einem gigantischen, juristisch-technokratisch perfekt vorbereiteten Enteignungsversuch. Nicht in Form von physisch-räuberischer Wegnahme, sondern in Form von PDF-Dokumenten, Clearing-Strukturen und Eigentumsdefinitionen, die so trocken klingen, dass der gesunde Menschenverstand automatisch abschaltet. Genau darauf, sagt Webb, baut das Projekt.
„The Great Taking“ - die große Enteignung” ist kein Thriller, sondern ein Dossier über die Architektur eines lautlosen Staatsstreichs gegen das Eigentum. Wer das Buch liest, erkennt schnell: Das ist kein weiteres Untergangs-Pamphlet, sondern die Fußnoten zur Welt, in der wir längst leben – wir haben nur nie die Bedingungen akzeptiert, denen wir zugestimmt haben.
Eigentum ohne Dinge: Die Dematerialisierung als Kernverrat
Webb beginnt dort, wo die meisten Leser aussteigen: bei der Dematerialisierung. Aktien, Anleihen, Fondsanteile – all das existiert heute meist nicht mehr als individuelle Urkunde, sondern als Sammelposition in einem digitalen System. Praktisch, effizient, „modern“. Webb seziert das Gegenteil: In dem Moment, in dem das Eigentum zur Buchung wird, verschiebt sich die Eigentümerfrage von der Zivilrechtsbeziehung „Mensch - Sache“ hin zur Kette „Kunde - Intermediär - Intermediär - Zentralverwahrer“. Am Ende dieser Kette steht eine Instanz, die nicht du bist.
Und genau hier setzt sein Alarm an: Wer über die Definition dessen herrscht, was ein „Sicherheitsanspruch“ ist, der herrscht im Krisenfall darüber, wer leer ausgeht. Nicht die Revolution frisst ihre Kinder, sondern das Backoffice.
Webb zeigt, wie das moderne Finanzsystem eine doppelte Täuschung produziert. Zum einen verkauft es Sicherheit: segregierte Konten, treuhänderische Verwahrung, „ihr Vermögen ist rechtlich getrennt“. Zum anderen baut es eine juristische Infrastruktur, in der genau diese Trennung im Krisenfall interpretierbar wird. Sicherheitsansprüche sind – nomen est omen – Ansprüche. Keine Tresorschlüssel.
Die Botschaft ist unangenehm einfach: Wer glaubt, sein Depot sei unantastbar, weil irgendein PDF „Segregation“ sagt, hat die Lektionen von 2008, Zypern, Griechenland und den immer neuen „Stabilisierungsmaßnahmen“ nicht verstanden. Die Sicherheiten sind das Buffet. Die Rechtsbegriffe das Messer.
Besonders scharf ist Webb, wenn es um die sogenannte Harmonisierung geht: globale Standards, einheitliche Regeln, „Effizienz“ für die Märkte. Was auf den Slides der Regulatoren nach Stabilität aussieht, ist in dieser Lesart die Vereinheitlichung der Zugriffspunkte.
Wenn alle Märkte gleich ticken, alle Verträge gleich klingen, alle Sicherheiten gleich definiert sind, dann braucht es für den großen Zugriff nur noch eine zentrale Entscheidung – nicht tausend lokale Rechtskämpfe. Harmonisierung als Abrissbirne der Souveränität: Staaten, Gerichte, Individuen – alle angeschlossen an dieselbe Infrastruktur, die keinem von ihnen wirklich gehört.
Wer hier nur mit den Schultern zuckt, hat die Pandemie-Regime, die Sanktionsregime, die Zahlungsnetzwerk-Abschaltungen der letzten Jahre nicht aufmerksam genug verfolgt. Der Werkzeugkasten existiert. Webb behauptet: Er wurde gebaut, um benutzt zu werden.
Kollateral, CCPs und Bankfeiertage: Die Praxis des Ausnahmezustands
Spätestens dort, wo es um Kollateralmanagement, Central Clearing Parties (CCPs) und Bank Holidays geht, kippt das Buch von der Analyse zur Warnung. Webb skizziert ein System, in dem dieselben Sicherheiten mehrfach verpfändet werden, Risiken gehebelt sind und am Ende wenige Clearing-Stellen die Nervenstränge der Märkte kontrollieren.
CCPs sind offiziell die großen Stabilitätsanker. In Webbs Logik sind sie die perfekt zentralisierten Erstickungspunkte. Wer sie kontrolliert, kontrolliert, wer „liquid“ ist – und wer über Nacht zum Default erklärt wird.
Bank Holidays, eingefrorene Konten, temporäre Zugriffsbeschränkungen: All das ist keine Science Fiction, sondern bereits erprobte Praxis. Webb verbindet diese Elemente zu einem Szenario: In einer großen Stresssituation – Crash, Krieg, Währungsschock – wird nicht etwa „der Markt gerettet“, sondern die Eigentumsordnung zugunsten der Intermediäre und Gläubiger verschoben. Nicht dein Geld. Nicht deine Assets. Nur noch dein Risiko.
Besonders interessant ist Webbs These der „Great Deflation“. Er meint damit nicht einfach fallende Preise, sondern eine systemische Entwertung: Vermögen, die auf kreditgetriebenen Blasen beruhen, werden politisch-juristisch so abgewickelt, dass am Ende die Realwerte in konzentrierte Hände fallen und der Rest mit Forderungen, Versprechen und digitalen Belegen zurückbleibt.
Es ist die Umverteilung von unten nach oben, von direkt zu indirekt, von greifbar zu „claim-basiert“. Eine Deflation der Souveränität. Eigentum schrumpft, Anspruchsstrukturen wachsen. Der Bürger bleibt zurück mit der schön gestalteten Benutzeroberfläche eines Systems, das ihn nicht mehr als Eigentümer kennt, sondern als Gläubiger zweiter Klasse.
Interessant – aber etwas viel Paranoia?
Das Beeindruckende an „The Great Taking“ ist nicht sein Ton – stellenweise durchaus alarmistisch –, sondern seine Methode: Webb arbeitet sich durch Verträge, Gesetzesänderungen, Clearing-Regeln, die niemand liest und die alle betreffen. Man muss seine Schlüsse nicht vollständig teilen, um zu erkennen: Dieses System ist nicht für maximale Bürgerfreiheit gebaut worden.
Wer die letzten Jahre mit offenen Augen erlebt hat – eingefrorene Konten, Deplatforming, selektive Anwendung von Sanktionen, digitale Sozialtechnologie – wird in Webbs Buch kein Fremdkörpergefühl haben, sondern ein Déjà-vu.
Es ist kein Werk für Verschwörungstouristen, sondern für Menschen, die die Fußnoten lesen, bevor sie ihre Lebensarbeit auf die Blockchain von BlackRock legen.
Webb bleibt nicht beim Katastrophenszenario stehen. Seine Empfehlungen sind banal, aber gerade deshalb radikal:
Bildung: Verstehe das System, in dem dein Geld existiert. Wer die Begriffe nicht kennt, wird verwaltet, nicht beraten.
Diversifizierung: Nicht alles im Bankensilo. Physische Werte, dezentrale Strukturen, echte Dinge.
Gemeinschaft: Widerstand ist kein Solo-Projekt. Lokale Netzwerke sind nicht romantisch, sondern die älteste, verlässliche Infrastruktur.
Kritisches Denken: Keine Narrative übernehmen, nur weil sie gut gelayoutet sind.
Das ist kein Survivalismus, sondern intellektische Hygiene.
„The Great Taking“ ist kein literarisches Meisterwerk, aber ein notwendiger Störfaktor. Es zwingt dazu, die unscheinbare Bürokratie des globalen Finanzsystems ernst zu nehmen – als das, was sie potenziell ist: das Regiebuch einer lautlosen Enteignung.
Wer nach der Lektüre immer noch glaubt, sein größtes Risiko sei die Volatilität von Bitcoin, hat das Programm nicht verstanden. Das größte Risiko liegt in dem, was wir aus Höflichkeit „Systemvertrauen“ nennen. Webb zeigt, dass dieses Vertrauen längst als Sicherungsmasse verpfändet wurde.
Man muss seine Schlussfolgerungen nicht dogmatisch übernehmen. Aber man sollte dieses Buch lesen, bevor andere über unser Eigentum entscheiden, während wir noch glauben, es gehöre uns.
David Rogers Webb, Die große Enteignung, 208 S., Corage Media 2024, 24 Euro (auch per Download, siehe Link im Text).
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