RKI-Protokolle: Die Chronik der wissenschaftlichen Verwahrlosung
Rezension zu: "Vereinnahmte Wissenschaft – Die Corona-Protokolle des Robert-Koch-Instituts".
Es gibt Bücher, die man liest – und Bücher, die einen selbst lesen. Vereinnahmte Wissenschaft gehört zur zweiten Kategorie. Was der Herausgeber Bastian Barucker hier mit einem Team aus Juristen, Epidemiologen, Datenanalysten und Publizisten abliefert, ist kein weiterer Pandemie-Rückblick mit Wattebäuschchen, sondern eine sezierende Anklageschrift gegen die Verwechslung von Wissenschaft und Willensbildung. Die Grundlage: die geleakten Protokolle des RKI-Krisenstabs. Der Befund: Politik als Regisseur, Wissenschaft als Statistin.
Das Buch arbeitet – und das ist seine größte Stärke – nicht mit Rückschau-Weisheiten oder aus dem Kontext gerissenen Schnipseln, sondern mit einer systematischen Lektüre der RKI-Protokolle im Längsschnitt. Man sitzt als Leser quasi am Krisentisch und hört, wie Einschätzungen kippen, Formulierungen verschärft, Begriffe justiert werden – oft ohne belastbare Datenbasis, dafür mit viel politischer Thermik. Die berühmte „Hochstufung“ des Risikos im März 2020 steht hier sinnbildlich: Während seriöse Stimmen auf Vorsicht und Datenqualität drängen, setzt sich das Nützlichkeitsnarrativ durch, weil es Maßnahmen legitimiert. Das Buch behauptet nicht, die eine Wahrheit zu besitzen; es zeigt, wie Wahrheit gemacht wurde.
Ein Kapitel, das sich einbrennt, ist die Masken-Chronik. Nicht, weil man es nicht ahnte, sondern weil es in den Protokollzeilen plötzlich faktisch wird: Die Autoren zeichnen nach, dass Nichtevidenz im RKI bekannt war – und trotzdem die Pflicht kam. Nicht als sanfte Empfehlung, nicht als situatives Instrument, sondern als psychopolitisches Symbol. Die Beiträge von Oliver Hirsch und Kai Kisielinski lesen sich wie das, was in einer aufgeklärten Öffentlichkeit längst hätte stattfinden müssen: Definition der Zielwirkung, Prüfung der Evidenz, Abwägung der Nebenfolgen (Kinder, vulnerable Gruppen, Fehlanwendung). Stattdessen: der moralische Imperativ, der Wissenschaft ersetzt. Wer widersprach, war nicht Gegenargument, sondern Gefährder.
Ähnlich präzise geht das Buch mit der Impfkampagne um. Der Clou ist nicht ein postfaktisches „Hätte, hätte“ – der Clou sind interne Zweifel, die im Protokoll auftauchen und dann politisch überrollt werden. Alexander Konietzky und Sabine C. Stebel rekonstruieren, wie aus Hoffnung zunächst eine Versprechensrhetorik und am Ende eine Agenda wird: schnelle Durchimpfung, Kommunikation ohne Konjunktiv, minimierte Unsicherheiten. Das Werk stellt dabei nicht pauschal infrage, was es an Schutzwirkung gab oder nicht gab; es zeigt, wie die Wahrheitsverwaltung funktionierte – und dass man über Kinder in einer Nüchternheit verfügte, die in einer freiheitlichen Gesellschaft eigentlich Alarm auslösen müsste.
Die vielleicht schärfste Klinge führt das Buch dort, wo es die Gewaltenteilung berührt. Volker Boehme-Neßler und Sebastian Lucenti schreiben über Gerichte, die in Serie auf Autoritätsglauben entschieden. Statt Beweis: Verweis – auf das RKI, dessen Unabhängigkeit man nun, mit Protokollen in der Hand, nicht mehr als sakrosankt behandeln kann. Das Verwaltungsgericht Osnabrück, das RKI-Präsident Lars Schaade befragte, markiert hier eine juristische Zäsur. Wer Grundrechte einschränkt, muss belegen. Nicht die Bürger tragen die Beweislast ihrer Freiheit, der Staat trägt die Beweislast seiner Eingriffe. Das Buch erinnert an diese verkehrte Beweisordnung mit der Klarheit einer Ohrfeige.
Und die Medien? Ruth Schneeberger und Frauke Rostalski schreiben, was viele spüren: Die Vierte Gewalt hat oft mitgespielt, wenn nicht bei der Choreographie, dann doch beim Applaus. Die Diffamierung kritischer Stimmen, das Abschieben von offenen Fragen als „Desinformation“, die Verwechslung von Haltung mit Recherche – all das wird hier nicht wutschnaubend, sondern belegt aufgerollt. Das Ergebnis ist keine Abrechnung mit Journalistinnen und Journalisten, sondern eine Einladung, ihren Beruf wieder wörtlich zu nehmen.
Formal ist das Buch angenehm polyphon: Es besteht aus sorgfältig redigierten Einzelbeiträgen, die sich gegenseitig tragen. Keine Echokammer, sondern ein Chor der Begründungen. Inhaltlich pendelt es zwischen Archivarbeit (Protokollstellen, Chroniken), Analyse (Evidenz, Methodik) und Norm (Recht, Verhältnismäßigkeit). Wer nach plakativen Endurteilen giert, wird enttäuscht; wer argumentative Dichte sucht, wird belohnt.
Manchmal wünscht man sich noch mehr Primärdokumente im Faksimile, noch härtere Tabellen zu Nebenfolgen und klare Kontrafakte („Was wäre, wenn wir X nicht getan hätten?“). Doch diese Wünsche sind Luxusprobleme. Entscheidend ist, dass Vereinnahmte Wissenschaft eine öffentliche Pflicht erfüllt, die Politik und Leitmedien verweigert haben: rekonstruieren, prüfen, zweifeln – ohne den Bürger zu infantilisieren.
Ein Satz bleibt nach der Lektüre hängen: Wissenschaft ist Methode, nicht Macht. Wer beides verwechselt, produziert keine Gesundheit, sondern Gehorsam. Vereinnahmte Wissenschaft ist deshalb kein „Pandemie-Buch“, sondern ein Demokratie-Buch – eines, das man auch in zehn Jahren noch lesen wird, wenn der nächste Ausnahmezustand nach einer wissenschaftlichen Uniform verlangt. Es ist unbequem, weil es aufklärt. Es ist notwendig, weil es versöhnt, und zwar nicht durch Kuscheln, sondern durch Wahrheitspflege.
Empfehlung? Unbedingt lesen. Nicht, um alte Rechnungen zu begleichen, sondern um neue Fehler zu vermeiden. Dieses Buch gehört auf den Tisch von Parlamentariern, Redaktionen, Richtern – und in die Hände derjenigen, die nicht länger bereit sind, ihr Erwachsensein an die Exekutive zu delegieren. Wer Demokratie ernst nimmt, muss lernen, mit Unsicherheit zu leben – und mit Widerspruch. Vereinnahmte Wissenschaft zeigt, wie man beides zivilisiert organisiert: mit offenen Protokollen, harten Fragen und der Weigerung, Hypermoral und Hygienesadismus während Corona als Evidenz durchgehen zu lassen.
Wann werden die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen?
Bastian Barucker (Herausgeber): Vereinnahmte Wissenschaft – Die Corona-Protokolle des Robert-Koch-Instituts. Massel Verlag, München, 2025, Umfang: 252 Seiten, Softcover mit Klappen.ISBN: 978-3-948576-21-9, Preis: 22,90 EUR.
Bestellung beim Verlag:
Massel Verlag – Buchseite: https://www.masselverlag.de/Programm/Vereinnahmte-Wissenschaft/
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