Was ist zerbrochen? Und wie bauen wir es wieder auf?
Erfahrungen von einer Lesereise und kleine psychologische Bestandsaufnahme eines Landes.
In diesen Tagen neigt sich eine lange (nahezu ausgebuchte) Lesereise dem Ende zu (letzte Termine siehe hier), die im Frühjahr begann und mich an etwa 50 Orte in Deutschland und der Schweiz führte: in Vereinsheime, Scheunen, Schlösser, Keller, Buchhandlungen, Festsäle, Wohnzimmer, Gärten, ja sogar Gewächshäuser. In diesen vielen Lese- und Diskussionsstunden durfte ich den Puls der Zeit etwas näher fühlen, als es durch den bloßen Konsum der Nachrichtenlage möglich ist. Dafür bin ich dankbar, denn dafür war die Lesereise auch primär gedacht: für die direkte, unverstellte Begegnung und Vernetzung. Zu den konkreten Erfahrungen gleich.
Es ist nicht leicht, die eine große Veränderung zu beschreiben, die sich in den letzten Corona-Jahren manifestiert hat. Für viele war diese Zeit bereits ein Schock; für einige mehr wird sie noch zu einer Schockbehandlung, und zwar auf Raten. In der Haut letzterer will man lieber nicht stecken. Ist es schon schmerzhaft, wenn ein Weltbild in kürzester Zeit zerbricht, so muss die langsame Erosion eines Weltbildes über Jahre noch folgenreicher und letztlich teurer, bzw. selbstschädigender sein.
Kollaps der Arbeitsteilung
Der Schock der ersteren hatte nicht selten ein Zurückgeworfensein auf sich selbst zur Folge. Wem kann ich noch trauen? Muss ich nun jede Information selbst prüfen und wägen? Was kann ich Ärzten und der Justiz noch glauben?
(Quelle Video: Twitter/X)
In den letzen Jahren ist ein systemischer Bruch offenbar geworden, und zwar im Kern der Gesellschaftsorganisation selbst: Bei der Arbeitsteilung. Der französische Soziologe Emile Durkheim fragte sich, was Gesellschaften zusammenhält, und kam beim “Kollektivbewusstsein” heraus. Das Kollektivbewusstsein wird in Frühgesellschaften, die sich auf Tradition, Sitte und Moral gründen, durch Sanktion herausgeschält. Es regiert eine „mechanische Solidarität“, die sich im Strafrecht äußert. In modernen Gesellschaften regiert hingegen eine „organische Solidarität“, die sich in der sozialen Arbeitsteilung ausdrückt.
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Während Corona wurde diese organisch gewachsene Solidarität pulverisiert. Es wurde offenbar, dass nicht nur offizielle Stellen lügen, sondern auch die Medien und „die Wissenschaft“. Ärzte waren ausführende Kräfte, die mit Anreizen zur Impfung überhäuft wurden, viele davon sind bis heute überzeugt, dass sie gut und richtig handelten. Aufgrund dieser zusammenwirkenden, kumulativen Versagenssituation, die sich in der Politik bis hin zur Etablierung einer Doktrin des Handelns wider besseren Wissens (siehe RKI-Protokolle) steigerte, wurde das Vertrauen von Millionen Menschen in Institutionen und deren arbeitsteilig wirkende Akteure zerstört. Sie stehen nun auf dem Stand: Wie soll ich denen je wieder etwas glauben? Was ist, wenn all das sich in der ein- oder anderen Form wiederholt? An die Stelle der organischen Solidarität kam die mechanische wieder zurück, es folgte ein Zurück zur Logik der Herde. Wer nicht spurt, möge Schmerzen erfahren.
Die Unfähigkeit aufzuarbeiten
Im neuen Kollektivbewusstsein der Herdenmentalität erwachte zudem der „autoritäre Charakter“ wieder zum Leben. Der Sozialpsychologe Erich Fromm verstand darunter einen Gesellschaftscharakter, der Züge von extremem Gehorsam, Hang zum Autoritarismus und zur Destruktivität in sich vereinte. Andersdenkende werden nicht toleriert; die Doktrin darf keinen Schaden nehmen. Der autoritäre Charakter dient sich einer gesellschaftlichen Autorität an, um vor der eigenverantwortlich wahrgenommenen Freiheit zu fliehen. Wer sich als Knecht empfindet, findet sich seinen Herrn. Den neo-totalitären Staat charakterisiert zwar, dass man “lange seine Hieroglyphen nicht entziffern kann” (Jünger). Aber man kann schon früh erste Schlüsse über dessen Ausrichtung aus dem Umstand ziehen, welche Affekte er in der Bevölkerung weckt. Dies waren unter anderem Gehorsam, Furcht und Hang zur Denunziation.
Seit diesem systemischen Bruch klafft eine offene Wunde und sie wird dadurch offen gehalten, dass das Corona-Thema unaufgearbeitet wegretouchiert werden soll. Die Verleugnung grober Fehler und Zusammenhänge steht heute eher an der Tagesordnung, als die Bereitschaft zur Aufarbeitung. Impfschäden en masse sind immer noch ein Tabuthema. Die Betroffenen werden nicht ernst genommen. Woher kommt diese Hemmung? Alexander Mitscherlich hat diese Mechanismen in seinem Buch „Die Unfähigkeit zu trauern“ in Bezug auf die Aufarbeitung der NS-Verbrechen beleuchtet. Seine Ausführung zur Aufarbeitungsaufschiebung klingen nun wieder sehr aktuell:
„Der zweite Trend läßt sich wesentlich schwerer beschreiben. Er bezieht sich auf eine Reaktionsträgheit, die sich in unserem gesamten politischen und sozialen Organismus bemerkbar macht. Die Einsichten, die hier mit Hilfe seelischer Sperrungen abgewehrt werden, sind ungelöste oder unzureichend verstandene Probleme unserer gegenwärtigen Gesellschaft. Wo wir höchste Aufmerksamkeit erwarten dürfen, stoßen wir auf Indifferenz. Diese diffus verteilte Anteilnahmslosigkeit wird besonders dann bemerkbar, wenn man sich die rasche Veränderung unserer materiellen Umwelt vor Augen hält. Lebhaftes Interesse bei allen Beteiligten für technische Probleme steht in Kontrast zur Indolenz, mit der unsere politischen Grundrechte behandelt werden. Die Anteilnahme an alledem, was einer aufgeklärten Öffentlichkeit am Herzen liegen sollte, ist relativ gering.“
Mitscherlich konstatiert der Gesellschaft eine Mischung aus infantilem Selbstschutz („Der Führer war an allem schuld“) und libidinöser Verstrickung des eigenen Ichs mit einem Fremd-Ideal, welches in die eigene Persönlichkeit mitintegriert wird. Wird diese Autoritätsfigur öffentlich demontiert, verteidigt sie der Gehorsame, und damit sich mit. Zerfällt die Autoritätsfigur gar, drohen eigene Persönlichkeitsteile zu zerfallen, so stark kann die Identifikation sein. Die Scham darüber, einem Manipulator aufgesessen zu sein, kann verhindern, diesen Umstand überhaupt sehen zu wollen.
Mit der libidinösen Manipulation vermischt sich das inkarnierte Fremd-Ideal mit dem Ich-Ideal. Man fiebert mit dem System (oder der Autorität) mit, wünscht sich einen siegreichen Kampf gegen – Geschichte wiederholt sich teilweise – Russland und ein Virus! Die Enttäuschung und Entzauberung des inkarnierten Fremd-Ideals greift das eigene Ich an, was einem existentiellen Desaster gleicht. Das falsche Ego muss nun als Privatgötze überleben, gehe darüber auch die Welt unter. Dieser Götzenkult der falschen Egos verhindert gerade ein Lernen aus der Pandemie und damit den Fortschritt. Wer die Ideal-Bildung nicht mitmachte, wird als Feind angesehen. Die Aggression wandert weg vom Innenbereich der Gesellschaft an den Randbereich, sie reagiert sich an den Sündenböcken ab („Pandemie der Ungeimpften, „Tyrannei der Ungeimpften“ etc.). Wer findet noch, dass die psychologische Fabrizierung einer „Massenformation“ als psychologisches Muster allein Diktaturen vorbehalten ist?
All dies wird gerade flankiert von einer schizophrenen Erinnerungskultur, die eher eine Vergessenskultur zum Ziel zu haben scheint. Die Erinnerung an die NS-Zeit wird ritualhaft extrapoliert, zugleich werden Vergleiche mit heute zum Tabu erklärt. So bleibt die Erinnerungsschleife leer, da folgenlos. Aus dem Früher darf für das Heute nichts gelernt werden, Muster nicht benannt werden. Bei den RKI-Mitarbeitern half die eigene Erinnerungsinstallation im Eingangsbereich des Hauses jedenfalls nicht, einem experimentellen Menschenversuch Einhalt zu gebieten. Eine moralische Bankrotterklärung, die noch lange nachwirken wird.
Wann kommt der Kipppunkt?
Bei meinen zahlreichen Lesungen erfuhr ich in vielen Gesprächen, dass die Kluft zu Andersdenkenden immer noch besteht. Es kommt kaum etwas in Bewegung, alles stockt, wirkt eingefroren und in den Mantel des Verdrängens und Vergessens gehüllt. Im Familien- und Freundeskreis sind die Gräben oft immer noch unverändert tief.
Während einer Lesung im “Kunst Kontor” in Potsdam kam es zum Clash zwischen Verteidigern der Coronapolitik, der politischen Klasse und der Mainstream-Medien und einem kritischen Publikum. Dieser Clash endete damit, dass nach Diskussion und Wortwechsel eine Person den Raum fluchtartig verließ, eine andere offen bekannte, sich mit widersprechenden Informationen gar nicht beschäftigen zu wollen. Was man dann von einer kritischen Lesung erwartet, weiß ich nicht.
Der Abend in Potsdam vor einem gemischt-gutbürgerlichen Publikum zeigte wohl jedem, wie groß die Gräben derzeit noch sind. Gleichzeitig sind es genau solche Begegnungen – zu selten finden sie überhaupt statt – welche den Anfang machen müssen, um letztlich zu einer Aufklärung zu kommen. Der Aufklärungsdruck kommt keinesfalls von oben, sondern immer nur von unten. Alles beginnt mit dem unverstellten, direkten Gespräch, auch wenn dieses im ersten Moment noch fruchtlos erscheinen mag.
Ein Gedanke, der mir immer wieder kam: Der Mensch reagiert auf Anreize. Welchen Anreiz hat die Gegenseite, an einer Aufklärung mitzuwirken? Es erwartet sie doch nur ein schmerz-, schuld- und schamhafter Prozess. Doch sich der Wahrheit zu stellen, bedeutet eine Katharsis durchzumachen, eine Form der Selbstreinigung. Das Beschweigen zerfrisst irgendwann von innen. Die Barriere der „bewussten Blindheit“ ist nur eine Augenbinde, die immer poröser wird. Prokrastination lohnt nicht, denn am Ende kommt immer der “Moment der Wahrheit”. Letztlich wird der nichtaufgearbeitete Schmerz und dessen Überwindung, also das Verlassen des Tals der Schmerzen, der finale Anreiz sein, sich der Realität zu stellen. So entscheidet jeder über den Grad des Schmerzes selbst.
Bei einer der letzten Lesungen im Buchhaus Loschwitz in Dresden, führte Kilian Forster, u.a. Intendant der Dresdner-Jazztage, musikalisch durch die Lesung. Zum Auftakt der Lesung nahm der Profi-Kontrabassist zur Überraschung aller am Flügel Platz und spielte mein Lieblingsstück von Chopin, die “Revolutions-Etüde”. Diese schrieb der junge Pianist und Komponist unter dem Eindruck der Juli-Revolution 1830 in Frankreich, bei der sich Bürgertum und Proletariat gegen eine übergriffige Regierung verbanden.
In dem kraftvollen und furiosen Klavierstück wird die ungestüme Kraft beschworen, die in dieser Verbindung liegt. Sternstunden der Menschheit gelingen in überraschenden, unwahrscheinlichen Konstellationen; sie beginnen mit Verbrüderung und Annäherung unter Gleichen. Das einzigartige Talent des Menschen liegt in seiner Kooperationsfähigkeit. Dazu braucht es zuvor Kommunikation.
(Lesung im Buchhaus Loschwitz/Dresden am 29.08.2024)
Ich danke allen Veranstaltern der Lesungen für die blendende Organisation und die Gastfreundschaft. Ich durfte Menschen kennenlernen, die durch ihr tägliches Vorbild vorleben, dass sie bereit sind für eine neue Entwicklungsstufe: die der Kooperation und friedvollen Wahrheitssuche. Krisen sind Wachstumspunkte. An ihnen konturieren wir uns heraus, werden stärker, resilienter, antifragiler. Was soll auch die Alternative sein? Wir sind letztlich zum Wachstum gezwungen.
Unsere Zukunft als Spezies hängt gerade maßgeblich davon ab, ob wir fähig sind, diesen Entwicklungssprung in Sachen Kooperation zu vollziehen. Die einen fliehen vor der Freiheit in die Destruktivität. Andere nehmen sich die Freiheit zur Konstruktivität.
Letzteren gehört die Zukunft.
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Dank und Respekt an Miloš!
Profesor Gerard Hüther hat, als Hirnforscher, herausgefunden, daß das menschliche Gehirn nicht zur Lösung komplizierter Probleme neigt, da dies zuviel Energie erfordert.
Dr Michael Nehls hat herausgefunden, daß man mit der Spritze den Impflngen eine absichtliche Schädigung der Kognition verabreicht hat.
Wenn man noch den deutschen Hang zur Gehorsamsmentalität, den deutschen Hang zur Angststeuerung und die allgemeine Herdenmentalität hinzudenkt, ist die Unfähigkeit der Leute zur gewissenhaften Selbstreflexion erwartbar, geradezu selbstverständlich.
Das Bildungsniveau des Durchschnittsbürgers macht die Sache nicht einfacher.
Mich interessiert eher, woher etwa 20 % der Bevölkerung den Mumm und Grips hergenommen hatten, dem sozialen Druck und der allgemeinen Desinformation Stand zu halten.
Ich habe mich eher von Anfang an gefragt warum so viele ihren gesunden Menschenverstand verloren haben , nur weil gewisse Obrigkeit und Instituten uns Dinge erzählt haben die wir zu Anfang nicht klar widerlegen konnten , die aber schon sehr schnell erkennbar nicht logisch waren aber letztlich genau darauf abgezielt haben, was dann auch passiert ist.