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Julian Assange: Geisel im US-Informationskrieg

Jeder kann es sehen: Wer sich den Machtzentren kritisch nähert, bekommt in allen politischen Systemen Probleme, auch in der Demokratie.
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In dieser Woche fand die finale Anhörung des Wikileaks-Gründers Julian Assange vor der Auslieferung in die USA statt. Im Gerichtssaal war Assange auch diesmal nicht präsent – wegen seines Gesundheitszustands. Zuletzt sah man ihn dort 2021. Eine Entscheidung wird in den nächsten Tagen erwartet. Einer der Richter, Jeremy Johnson, vertrat zuvor anwaltlich u.a. den britischen Geheimdienst MI6 und das Verteidigungsministerium vor Gericht. Zwei Institutionen, deren Fehlverhalten Assange immer wieder offen gelegt hat. Wer also erwartet noch ein faires Urteil in diesem durch und durch politisch-ideologischen Prozess? Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenreche in Straßburg würde Assange kaum helfen. Die Urteile haben deklaratorische Wirkung, sie stellen eine Verletzung der Menschenrechtskonvention lediglich fest, bringen die Auslieferungsentscheidung selbst aber nicht zu Fall. Der Menschenrechtsschutz ist ein Papiertiger. Julian Assange ist seit Jahren die bekannteste Geisel im Informationskrieg der USA. Man nimmt den Tod des bekanntesten Journalisten der Welt in Kauf, und glaubt damit die eigene Reputation zu retten.


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„Was gibt’s denn Neues bei Assange?“ Diese Frage bekam ich in den letzten Jahren häufig gestellt. Häufig von Journalisten. Immer wieder habe ich über das Schicksal des Wikileaks-Gründers berichtet, der für die Veröffentlichung von Kriegsverbrechen der USA und zahlreiche wahrheitsgetreue Enthüllungen, die den Mächtigen gefährlich wurden, seit nunmehr fast fünf Jahren im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh sitzt und auf eine Auslieferung in die USA wartet.

„Nichts Neues“ ist keine gute Antwort, wenn man andere Journalisten dazu animieren will, ebenfalls zu berichten (oder mal zu recherchieren). Denn Journalismus liebt Ereignisse, also Neuigkeiten. Und hasst Zustände. Denn Zustände sind bekannt, also langweilig. Doch dieser Zustand ist ein Dauerskandal und er wird nicht kleiner, sondern immer größer, je länger er andauert. Der Fall Assange ist ein stetig anschwellender Dauerskandalballon. Mal wieder steht es für Assange Spitz auf Knopf: Ein neuer Verfahrenstermin, immer neues Hoffen, neues Bangen. Dabei gibt es nur eine richtige Entscheidung: Assange freizulassen.

„Viele, die ihrer Zeit vorausgeeilt waren, mussten auf sie in sehr unbequemen Unterkünften warten.“
(Stanisław Jerzy Lec, poln. Aphoristiker)

Wenn ich an das Schicksal des Wikileaks-Gründers denke, kommt mir ein Zitat des polnischen Aphoristikers Stanislaw Jerzy Lec in den Sinn: „Viele, die ihrer Zeit vorausgeeilt waren, mussten auf sie in sehr unbequemen Unterkünften warten.” Assange hat - wie kein anderer - den blinden Fleck des „Wertewestens“ offengelegt: Es gibt sie eben doch: die Dissidenten in der „Freien Welt“, also dort, wo es per definitionem keine Dissidenten geben kann, denn jeder ist hier doch frei, seine Ansichten im Rahmen der Gesetze zu äußern. Diese Illusion hat Assange zerstört. Die USA und Großbritannien zeigen ihre hässliche Fratze, indem sie Assange mehr oder weniger auf Raten zu Tode quälen. Kein medialer Aufschrei, keine Demonstration, kein Solidaritätskonzert, kein Eingreifen eines UN-Folterbeauftragten hat daran je etwas geändert. Das Schicksal Assanges wurde zum Gradmesser, zur Fieberkurve des Werteverfalls des Westens.


Im März und April geht die Lesereise aus “Stromaufwärts zur Quelle” weiter, mit neuen Terminen in der Schweiz und Deutschland. Nutzen wir Momente der Begegnung zur Vernetzung! Termine und Tickets finden sich unter tinyurl.com/Lesung-Matuschek (Bitte um Eintragung, die ersten Veranstaltungen sind ausgebucht)


Am Schicksal des bekanntesten Häftlings des Westens lässt sich das Schicksal von uns allen ablesen. „Freiheit ist unteilbar“, sagte einst John F. Kennedy in seiner Berliner Rede. Wenn nur einer versklavt ist, sind es alle. Man muss ergänzen: In unterschiedlichem Maße, sicherlich. Aber eben doch. Denn wenn das Recht im Fall Assange keine Rolle zu spielen scheint, wer will dann darauf vertrauen, dass es für ihn selbst gilt? Der Wertewesten hat sich selbst aus den Angeln gehoben, die Alte Welt ist aus den Fugen. Die Zeichen des Niedergangs sind für alle unverkennbar.

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