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Emcke, Jung & Co.: Die woken Abrissbirnen der Demokratie

Manche Medienmenschen können das Ende der Demokratie gar nicht mehr abwarten. Das Juste Milieu applaudiert frenetisch. Eine Kolumne.
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Veranstaltungshinweis/Lesungen:

  • Am 27.06. diskutiere ich mit Freiherr Nikolaus von Gayling-Westphal auf Schloss Ebnet/Freiburg i Br. über die gegenwärtige Debattenkultur. 19 Uhr, Eintritt frei (mit musikalischer Untermalung von Valentina Velkova am Cello).

  • Am 29.06. um 16 Uhr lese ich aus “Stromaufwärts zur Quelle” beim “Graswurzle Sommerfest”. Sieht man sich?

  • Weitere Lesungen im August: u.a. Köln, bei Kassel, Rostock, Berlin, Kyritz, Laax (Details folgen)


Das deutsche Grundgesetz braucht nur einen Satz, um das Lebenselixier der Demokratie in Worte zu fassen, siehe Art. 5. Abs. 1 Satz 1 GG:

„Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern“.

Das ist bereits so glasklar, dass es nicht mal mehr eine Version in einfacher Sprache für begriffsstutzige Journalisten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks oder woker Konzernmedien braucht.

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Was darunter zu verstehen ist, buchstabiert das Bundesverfassungsgericht trotzdem in einer über 70-jährigen Rechtsprechung regelmäßig aus.

So im Leuchtturm-Urteil „Lüth“ aus dem Jahre 1958:

„Das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung ist als unmittelbarster Ausdruck der menschlichen Persönlichkeit in der Gesellschaft eines der vornehmsten Menschenrechte überhaupt (un des droits les plus précieux de l"homme nach Artikel 11 der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1789). Für eine freiheitlich-demokratische Staatsordnung ist es schlechthin konstituierend, denn es ermöglicht erst die ständige geistige Auseinandersetzung, den Kampf der Meinungen, der ihr Lebenselement ist (BVerfGE 5, 85 [205]). Es ist in gewissem Sinn die Grundlage jeder Freiheit überhaupt, "the matrix, the indispensable condition of nearly every other form of freedom" (Cardozo). (Hervorhebung von mir)

Was gehört dazu, was nicht?

Es wäre vielleicht gut, die folgenden Sätze aus einer weiteren Entscheidung in Leuchtschrift in den Nachthimmel einer Republik im Endstadium zu projizieren:

Vom Schutzbereich der Meinungsfreiheit umfasst sind zum einen Meinungen, das heißt durch das Element der Stellungnahme und des Dafürhaltens geprägte Äußerungen. Sie fallen stets in den Schutzbereich von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG, ohne dass es dabei darauf ankäme, ob sie sich als wahr oder unwahr erweisen, ob sie begründet oder grundlos, emotional oder rational sind, oder ob sie als wertvoll oder wertlos, gefährlich oder harmlos eingeschätzt werden (vgl. BVerfGE 90, 241 <247>; 124, 300 <320>). Sie verlieren diesen Schutz auch dann nicht, wenn sie scharf und überzogen geäußert werden (vgl. BVerfGE 61, 1 <7 f.>; 90, 241 <247>; 93, 266 <289>). Der Meinungsäußernde ist insbesondere auch nicht gehalten, die der Verfassung zugrunde liegenden Wertsetzungen zu teilen, da das Grundgesetz zwar auf die Werteloyalität baut, diese aber nicht erzwingt (vgl. BVerfGE 124, 300 <320>). (Hervorhebungen von mir)

Soweit der Hinweis zur geltenden Rechtslage. Hoffentlich hat auch der Verfassungsschutz mitstenografiert. Leider braucht es diesen Hinweis. Denn man kann den Niedergang einer Kultur ja bekanntlich daran ablesen, wie sie mit den Grundfesten umgeht, auf denen ihr Erfolg beruht. Und das traurigste Beispiel für diesen Verfall bietet derzeit nunmal der Umgang mit der Meinungs- und Pressefreiheit.

Vom Geist des Grundgesetzes ist in den öffentlichen Debatten nicht mehr viel zu spüren. Durch die leeren Hallen eines desinfizierten Debattenraums weht kein Geist mehr. Doch das Grundgesetz braucht einen Sozialbezug. Es lebt vom Sauerstoff der Umsetzung in der Praxis. Der beste Schutz vor einer Erosion der Freiheit ist die gelebte Freiheit selbst – nicht der gelehrte Diskurs darüber. Für die Meinungsfreiheit gilt das besonders. Kein Verfassungsartikel kann auf Dauer Bestand haben, wenn er nicht mit Leben gefüllt wird. Die rechtliche Verankerung von Werten braucht die gesellschaftliche Umsetzung, sonst ist sie ein juristisches Glasperlenspiel.

Das Grundgesetz sagt, was es schützt (und das Bundesverfassungsgericht kümmert sich um die Details). Doch die Gesellschaft sagt, was sie schätzt. Wenn sie das nicht mehr weiß, ist sie orientierungslos. Am Ende. Wie also steht es um die Wertschätzung des Lebenselements der Demokratie?

Drei aktuelle Redebeiträge aus dem woke-linken Lager geben hierfür ein erschreckendes Bild ab:

1.

Thilo Jung, ein antifa-naher Journalist und begeisterter Corona-Jünger gab letztens seine Vorstellung von gutem Journalismus zum Besten:

„Journalisten und Journalistinnen sollen, äh, Leute informieren und darüber informieren, was sie wissen sollen. Und nicht was sie wissen wollen.”

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Nicht der Kunde (Leser) ist bei diesem Journalismus König, sondern der Journalist. Die Öffentlichkeit ist Verfügungsmasse; Fans eines ideologischen Influencertums. Man stelle sich das mal in anderen Branchen vor: Der Wirt, der nur noch das auf den Tisch stellt, was ihm selbst schmeckt. Die Werkstatt, die nur noch Reifen wechselt, statt Getriebeschäden zu reparieren. Die sind ja auch kompliziert. Was kümmert uns das Problem des Kunden, wenn wir doch nur eine Lösung anzubieten haben?

2.

Der eigenartig unwitzige Kabarettist Till Reiners versuchte es mit dem Bashing eines (falschen) Voltaire-Zitats, das aber einen edlen Gedanken ausdrückt. Es geht in etwa so:

„Mein Herr, ich teile Ihre Meinung nicht, aber ich würde mein Leben dafür einsetzen, dass Sie sie äußern dürfen.“

Der Voltaire-Satz ist das Destillat der Toleranz. Nicht nur aushalten, was andere sagen, ohne dass man es unterstützt oder teilt. Sondern sogar das Recht anderer auf abweichende Ansichten aktiv verteidigen. Die Idee dahinter ist so gut wie nützlich: Wen ich heute unterstütze, der unterstützt morgen vielleicht mich; verteidigt wird nicht die Ansicht des anderen, sondern nur das Recht, diese zu äußern. Also ein Prinzip. Wer aktiv aus Prinzip für das Recht des anderen eintritt, hält dieses Recht damit für alle stabil, auch für sich selbst. Das ist die Vorarbeit, die ein freiheitliches Klima zum Erblühen bringt. Der Voltaire-Satz ist eine Aufforderung zur soziologischen Stützung eines werthaften Zustands, und zwar dort, wo das Staatsrecht an seine Grenzen kommt, weil es letztlich ohne Menschen, die aktiv wertstützend agieren, von allen guten Geistern verlassen ist.

In der Denke von Reiners ist das etwas für „Meinungsfreiheits-Ultras“. Wer macht denn sowas? Immerhin: Die Zuschauer finden es befremdlich, im Publikum herrscht betretenes Schweigen. Hätte er doch bei dem Witz mit den Handyklapphüllen weitergemacht oder sich weiter an Dieter Nuhr abgearbeitet. Was Reiners wohl sagte, wenn er gecancelt würde und niemand sein Recht auf Meinungsfreiheit verteidigt? Lacht er sich dann schlapp über seine eigene Beschränktheit?

3.

Den größten Bock schießt Carolin Emcke (hier das Re:publica-Trauerspiel in voller Länge), die Frau fürs Korrekte bei der korrektesten Zeitung der Welt, der Süddeutschen Zeitung, die sich in gut 70 Jahren von einer Besatzungsmachtspostille mit NS-Gründerteam zum zweifelhaften Zentralorgan des aktuellen Gutmenschenkosmos entwickelt hat.

Im Kampf gegen rechts und fürs Klima schickt die Süddeutsche mit Emcke allerdings ein Personal ins Rennen, das nicht nur nach gegenwärtigen Umständen ein Prüffall für den Verfassungsschutz sein müsste. Vorwurf: Unterminierung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung durch wiederholte Verlautbarung von massivem und gefährlichem Stuss.

Emcke besitzt vor allem ein Talent: Inhaltsfreie Sätze mit so viel Betonung vorzutragen, dass ein akademisch-berlinerisches Publikum glaubt, ewige Weisheiten gehört zu haben. Es ist ein alter Trick: Man spiele das Entrüstungspferdchen in der Manege. Erstaunlich oft hilft es ja, das Publikum bereits mit gespielter Fassungslosigkeit und überbetonten Sätzen brainzuwashen. Mit Füllmaterial à la: „Es kann doch nicht sein“… “wir müssen“ … „ich bitte inständig“ braucht es keine Argumentation mehr, wenn sie doch tatsächlich fordert, Pro & Contra-Debatten abzuschaffen oder zu boykottieren (kurze Frage an dieser Stelle: wo gab es denn zuletzt eigentlich noch Pro/ & Contra-Debatten zu Klima, Migration, Corona oder Krieg?).

Wohlgemerkt, siehe oben: Der Streit ist das Lebenselement der Demokratie. Emcke will den Streit abschaffen. Preisfrage: Wie steht Emcke zur Demokratie? Was genau hat sie nicht verstanden? Kann ihr ein Heribert Prantl nicht Nachhilfe geben? Oder wäre das ganz böses Mansplaining eines alten weissen Mannes, der bei der Alpenprawda sein letztes Gnadenbrot bekommt? War Emcke wirklich in Harvard oder ist es das gleiche Clowns-Harvard, wo auch Lauterbach war? Und die Frage aller Fragen: Warum applaudiert ein grenzdebiles Re:publica-Publikum dem eigenen Untergang entgegen? Viel Heiterkeit im Sportpalast des Juste Milieus.

Aus der Verfassungsfeindin Emcke spricht die brennende Sehnsucht nach dem woken Expertenführerstaat, wo die Dinge endlich ein für alle mal geklärt sind und nur noch die eigene ideologische Bückware angeboten wird. Einfach sich selbst in die warme Wanne des Richtigen und Guten legen, und dann schrumpelig in der Diktatur wieder aufwachen. Das scheint so ein Fiebertraum alternder Linker zu sein, die ihren Kern-Faschismus auf Re:publica-Bühnen ausleben müssen, als bezahlte Nomenklatura für das „gegenwärtige Ding“. Eine Debatte zwischen Emcke und sagen wir, einem klimawandelkritischen Nobelpreisträger, wird es also bis auf weiteres für Sie, liebes Publikum, nicht geben und es soll sie auch nicht mit anderen geben.

Zur Wärmepumpe, dem aktuellen Fanal der Grünen, weiß Emcke zu sagen:

„Ich möchte es auch nicht verstehen … ich möchte, dass es beschlossen, angeordnet wird, dass ich verpflichtet werde, ich nicht nachdenken muss.“

Erst die Abschaffung des Streits, dann die Abschaffung des Denkens. Danke Frau Emcke, besser kann man als Mainstream-Journalist eine Bewerbung als Handpuppe der Regierung nicht formulieren. Wenn man aus solchen Sätzen den Analogie-Schluss auf ihren Impfstatus zieht, will man ihr allerdings noch beste Gesundheit hinterher wünschen.

Jung, Reiners, Emcke & Co.: Hier sprechen die “Wächter” im Sinne Platons; die Gatekeeper und autoritären Besserwisser im Fahrwasser der Regierungsmeinung. Der Streit ist für die Demokratie in etwa so wichtig wie das Mikrobiom für das Funktionieren der Darmflora. Ein hygienischer Debattenraum hört auf einer zu sein, ebenso wie ein bakterienfreier Darm. Die Gatekeeper kärchern den Debattenraum permanent mit einem wokem Desinfektionsmittel durch, das die Demokratie zerfrisst. An die Stelle des Streits setzen sie ihre plüschige Kindergärtnerinnen-Attitude à la: „Wir wollen jetzt alle unsere Hände falten, still sitzen und kollektiv den Mund halten, da die Weisheit bereits im Raum ist und man ihr nicht widersprechen darf.“ Kein Pro & Contra, kein Aufeinandertreffen, keine Auseinandersetzung und damit auch keinen Lernprozess, sondern einen Safe space des gepflegten Aneinandervorbeiredens, der Belanglosigkeit und maximalen Zustimmungsfähigkeit.

Die Nomenklatura von heute versteckt ihre Absichten nicht. Sie macht für jeden deutlich, der zuhört: Die Abrissbirne für Demokratie, Rechtsstaat, Freiheit und Fortschritt sind wir. Seht her, wir sind der vermeintliche Löschtrupp, der aber selbst die Brände legt. Die Hygieniker des Debattenraums sägen den Ast ab, auf dem zwar nicht sie selbst, wohl aber die Öffentlichkeit sitzt. Die fällt dann ins Leere, man selbst fällt wie Butterbrote: Immer auf die gute Seite.

Das Publikum nimmt derweil die Beine in die Hand: Fast 40 Prozent der Schweizer konsumieren gar keine News mehr. Die Tagesschau hat in fünf Jahren gut 5 Millionen Zuschauer verloren.

Ich möchte an dieser Stelle wirklich inständig im hin und her wippenden Duktus von Emcke darum bitten, dass es noch viel mehr werden.

Emcke, Jung und Reiners empfehle ich hingegen für die Aufnahme in die „Hall of Shame“ der Klassiker frühtotalitären Denkens.


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